Kulturhauptstadt

RUHR.2010 “erklärt” die Katastrophe

Kulturhauptstadt-Organisation tut unbeteiligt. Ihr geht es um die schönen Bilder.

Screenshot ruhr2010.de: “Erklärung zur Loveparade”

Soeben hat die Ruhr.2010-GmbH auf ihre Homepage eine “Erklärung von RUHR.2010 zur Loveparade” gestellt und 49 Stunden nach der Katastrophe festgestellt:

“Die Loveparade trägt das Label der Kulturhauptstadt. Veranstaltet wurde sie allerdings in alleiniger Verantwortung der Lopavent in Duisburg.”

Ruhr.2010 habe die Loveparade nur

“ideell unterstützt”.

Anschließend kommt die Erklärung gleich aufs

“nächste Großereignis von RUHR.2010”

zu sprechen, das wiederum in Duisburg stattfinde (folgen Programm, Beteiligte und Ort), und da werde es dann im September

“eine würdige Form des Gedenkens geben”.

“Jetzt”, heißt es, gehe es zunächst um “das Schicksal der Familien der Angehörigen und Verletzten”, es stehe “im Mittelpunkt des Denkens, Handelns und Fühlens der Kulturhauptstadtorganisation”.

Der Satz selber steht am Ende der Erklärung, im Mittelpunkt steht dies: Die Katastrophe lege sich

“wie ein schwerer Schatten auf die Kulturhauptstadt”

und vor allem auch auf “Still-Leben A40”. Über diese still lebende Aktion, die Sperrung einer Autobahn, heißt es, die Kulturhauptstadtorganisation habe sie eben noch “mit großem Erfolg” durchgeführt. Dann dieser Satz:

Umso bedauerlicher und bestürzender ist es, dass die fröhlichen Erinnerungen und Bilder von diesem Gemeinschaftserlebnis nun von den Bildern der Massenpanik in Duisburg überschattet und überlagert werden.

Wieder also und immer noch sind es Bilder, um die es geht.

Auf der einen Seite das Gemeinschaftserlebnis, auf der anderen Massenpanik. Auf der einen Seite Erinnerungen und Bilder, auf der anderen nur Bilder, keine Erinnerungen. Auf der einen still das Leben, auf der anderen nicht. Der Zusammenhang zwischen beiden Seiten bestehe darin, dass die Bilder ohne Erinnerungen und ohne Leben einen Schatten würfen auf die fröhlichen Bilder mit.

Eben noch Leuchtturm, jetzt Schatten. Eben noch Projekt der Kulturhauptstadt, jetzt ideell unterstützt: Es handelt sich um eine “Erklärung von RUHR.2010 zur Loveparade”, es ist keine zur Katastrophe, die unterm Label von RUHR.2010 geschehen ist.

Kultur, sagte Ayla, als sie die Erklärung las, “hat was mit Herzensbildung zu tun”. Wie man in so einer Situation die nächste Veranstaltung ankündigen und die vorherige feiern könne. Und was soll die Idee, bis September zu warten, um eine “würdige Form” zu finden, bis September laufe viel Wasser die Ruhr2010 hinunter, ob das so sein solle?

Es steht so da. Es geht ums “Denken, Handeln und Fühlen”, aber eben, man lese genau, ums Denken, Handeln und Fühlen einer Kulturhauptstadtorganisation. Und darum ist der nächste Satz, der letzte, ein sehr wahrer:

“Alle haben einen Anspruch auf lückenlose Aufklärung der Geschehnisse und Verantwortlichkeiten.”

Zu diesen Verantwortlichkeiten zählt, welche Rolle das Label der Kulturhauptstadt gespielt hat und worin die ideelle Unterstützung bestand. Damit aber rückt eine andere Frage heran, die tatsächlich in den Mittelpunkt des Denkens, Handelns und Fühlens von Kultur gehört, nämlich die, ob die Katastrophe von Duisburg nicht nur das Ende der kommerziellen Loveparade ist, sondern das Ende einer Kultur, die sich als Wirtschaftsförderung versteht.

Label” ist deutsch für Preisschild.

Veröffentlicht am 26. Juli um 22:27 Uhr. An einem der folgenden Tage hat RUHR.2010 die “Erklärung” geändert, der Vergleich der Bilder aus Duisburg mit denen des  “Still-Lebens A40” findet sich seitdem nicht mehr.