Anstiftung zum Andershören
Weihnachtsoratorium von Bach: Öffentliche Generalprobe mit Ensemble Resonanz und ChorWerk Ruhr
Anders als L’Enfance du Christ ist Bachs WO bekannt. Allzu bekannt vielleicht, zu oft gehört, mit zu viel Sehnsüchten befrachtet.
Aber ebenso bekannt ist der Appell, dem Rummel zu misstrauen, zu routiniert ist die Kritik daran, zu aufdringlich die “Dekonstruktion”.
Reinhard Goebel misstraut dem Misstrauen. Der weltweit gefragte Dirigent will Alte Musik und Moderne einander vermitteln. Will weder konservieren noch dekonstruieren, sondern, was Bach geschrieben hat, von innen heraus hören, es anders hören.
Mit einem Kammerorchester von Weltformat, solistisch leicht und virtuos, und dem großartigen Chorwerk Ruhr in kleiner 26er Besetzung – es verspricht einen farbigen Klang, dynamisch und transparent.
Und dann, sehr bedacht, weicht Goebel ab von dem, was man zu kennen meint. Behutsam stellt er neben das, was Bach uns an die Krippe stellt, Teile der h-Moll Messe von Bach. Als sei das Holz, aus dem man Krippen baut, das Holz, das sich für Kreuze eignet.
Die Idylle im Stall als Pietà – eine Ahnung wie von El Greco gemalt, eine, die sich abzeichnet in Bachs Musik. Goebel deutet, er stiftet an. Keine Physik kann ermessen, was man hört, wenn man dasselbe anders hört, wenn man ihm neue Bezüge stiftet und anderen Sinn.
Und keiner war größer in dieser Kunst als eben Bach, von dem man doch dachte, dass man ihn kennt:
Bach selber hat in seinem Weihnachtsoratorium eine ganze Reihe Chöre und Arien umgearbeitet und umgedeutet, die er zuvor für seinen Arbeitgeber, das sächsische Herrscherhaus geschrieben hatte.
Auf dieses in der Barockmusik übliche Vorgehen – das sog. Parodieverfahren, etwas, das aus der Not eine Kunst machte – greift Goebel zurück: Er bringt Bachs Musik mit der Musik von Bach in ein Gespräch, dem man zuhören kann, ohne dass man immer schon zu wissen meint, wie es weitergehen wird. Goebel verfremdet nicht, er stiftet zum Hören an.
Und zum Spielen: Wie es zu Bachs Zeiten noch keine Dirigenten gab, so nimmt sich Goebel heute zurück. Sein Dirigat besteht eher darin, eine Konstellation zu schaffen, einen Spielraum, in dem sich Musiker wie Hörer bewegen können. Vermutlich gibt es derzeit kein anderes Ensemble weltweit, das für Goebels Anstiftungen empfänglicher wäre als das Ensemble Resonanz, das beides ist, sowohl Kammerorchester wie Solisten-Ensemble – und “Weltklasse”, wie nicht nur das HAMBURGER ABENDBLATT urteilt. DIE WELT über die 17 Musiker, die in Bochum zuletzt auf der Ruhrtriennale beeindruckt haben:
Zukunftsmusik in der Gegenwart. Sie entsteht in einer hierarchiefreien Zone, in der die Autorität jedes einzelnen anerkannt wird und wo das Ziel in der bestmöglichen gemeinsamen Deutung eines Werks besteht.
So kehrt die Demokratie in die Klassik ein, ein hörbares Phänomen, das auch das ChorWerk Ruhr auszeichnet, einen Pool von 180 Sängerinnen und Sänger, die mit “Bach an der Ruhr” ihr inzwischen 53. Projekt realisieren. Entstanden unter dem Dach der Ruhrtriennale, wurde der Chor von Frieder Bernius und Rupert Huber zu großer Stimmkraft geformt und hat sich mit Auftritten zumal auf der Ruhrtriennale einen exzellenten Ruf ersungen:
Besetzungsliste ChorWerk Ruhr
Besetzungsliste Ensemble Resonanz
Sopran: Agnes Selma Weiland
Alt: Britta Schwarz
Tenor: Markus Francke
Bass: Raimund Nolte
Musikalische Leitung: Reinhard Goebel
>> 16 Eur | halber Preis bis 25 Jahre | nrw-ticket und an allen bekannten VVK-Stellen