Jeff Koons und drei Tenöre
Über Kitsch und Ping Pang Pong
Zur Zeit wird Jeff Koons in Frankfurt ausgestellt. In der Kunst ist Koons der King of Kitsch, über eines seiner Gemälde, das jetzt in der Schirn hängt, sagte der Kurator:
“Was hier menschlichen und nicht menschlichen Ursprungs ist, woher der Mensch kommt und wohin er geht, das alles mündet in einer Unentschiedenheit und Gleichzeitigkeit, eine Art Egalität, in dem (!) sich der Strom des Werdens vollzieht.”
Natürlich steckt dieser Satz selber kopfüber im Kitsch, der kantisch sei oder koonisch. Koons zwingt nun mal jeden zu der Frage, ob er, wenn er Koons sieht, Kunst sieht oder Kitsch. Und ob das nicht auch egal sein kann. Was gute Fragen sind, die einen sehen die größte Kirmes der Kunst, die anderen “direkte Übersetzungen einer antiken Ikonografie”.
Wir hier hören demnächst “Die Himmlische Nacht der Tenöre”.
Kunst ohne Triebverzicht, Genuss ohne Versagung
Und da gibt es einen Zusammenhang. Die “Himmlische Nacht” ist ein Best-Off der Opern-Literatur. Etwas aus “Tosca”, etwas aus “Rigoletto”, aus “Don Carlos”, dazu ein paar Titel aus der Sakralmusik, das “Agnus Dei”, ein “Ave Maria”, das “Panis angelicus”. Und dann natürlich noch Puccinis “Nessun Dorma”, das Paul Pott jetzt wieder so populär gemacht hat.
Was es in dieser Nacht bei uns nicht geben wird: kein feudales 70-Mann-Orchester und keinen kulturbetriebskonformen Anmarschweg. Um “Nessun Dorma” zu hören, muss niemand erst zwei Akte “Turandot” durchleiden, es geht Ping Pang Pong zur Sache.
Wie bei Koons. Kunst ohne Triebverzicht, Genuss ohne Versagung. Mit den Worten von Koons Kurator:
„Da gibt es wesentliche Bezüge in die Kunst verschiedenster Epochen. Und Jeff Koons den Tenören geht es sicherlich insbesondere darum, zeitlose Kunst herzustellen, eine Kunst, die diese Referenzen und direkte Wirkung fortwährend ermöglicht. Sie soll weder politisch noch zeitgebunden sein oder als Teil einer Generation gelesen werden können …“
usf., es passt. Auf Koons, auf Kunst, auf Drei Tenöre. Was ja nun entweder daran liegt, dass sich Kunst wie Kitsch bereden lässt oder drei Tenöre wie Koons.
Was einen Unterschied macht: das ist der makellose Koons.
Ist das perfekte Handwerk [von anderen], das sich selber [und die anderen] zum Verschwinden bringt. Ich mochte immer auch den Ton, der nicht getroffen wird, den kleinen Schlenker im Strich, die Falte im Chrom, die Koons keinem gönnt. “Reine Oberflächlichkeit” – so schrieb, keineswegs ironisch, die FAZ über Koons – ist eben nicht nur oberflächlich, sondern vor allem rein.
Und das ist, was nervt. Reinheit, die sich selber ausstellt, kommt wie mit neonfarbenem Kopftuch daher oder wie im Habit des Priesters: Man will den Eindruck des Unbefleckten wecken und meint, je mehr man auf die Tube drückt, umso unbefleckter käme man rüber.
Wo es um Sex geht in der Kunst, sitzt Koons der Glaubenskongregation vor, er poliert die reine Lehre. Und es entsteht eine Menge Glanz – wäre es, wie die FAZ glaubt, ein “metaphysischer Glanz”, glänzte es erbarmungslos. Dann lieber Kitsch.
Um den zu genießen, muss niemand unschuldig sein.
>> “Himmlische Nacht der Tenöre” | 27. Oktober | 20 Uhr
>> Tickets 29,90 EUR