Logo der RUHR.2010 mit graphischer Korrektur by thw

Als es die Kulturhauptstadt noch gar nicht gab, hat Florian Neuner ihre Bilanz geschrieben. Der Berliner, Ende 30, war kurz vorher durchs Ruhrgebiet spaziert, “achtsam & respektvoll”. Was er gesehen hat und beschrieben, sieht aus wie das, was 2010 tatsächlich passiert ist, es liest sich wie ein liebevoller Nachgesang auf das Programm der Kulturhauptstadt Europas:

“Massive Schönheit & abrupte Hässlichkeit. Einfamilienhäuser, Gewerbegebiete, wilde Kleingärten & Brachflächen, Discotheken und Billigmärkte. Der Nebel wird sich ein paar Tage halten …”

Neuner weiter:

“Das Ruhrgebiet hat keine Grenzen. Die Stadt ist übervoll. Sie wiederholt sich, damit irgend etwas im Gedächtnis haften bleibt. Ein Auseinanderfallen ohne Ende und Form. Nie weiß man, wo man ist. Der Eindruck des Chaotischen, Ungeplanten ist einer Perspektive geschuldet, der der Überblick fehlt. Mancher ist froh, wieder hinauszukommen.

(…) Wenn es eine Konstante im Ruhrgebiet gibt, so ist es die permanente Veränderung & die mit ihr verbundene Gewissheit, in einer unfertigen, vorläufigen, jederzeit widerrufbaren Situation zu leben. In einem mehr oder weniger unüberschaubaren Provisorium ohne Begriff von sich selbst, auf buchstäblich unsicherem Boden.

(…) Der Boden ist vermimt. Das Gedächtnis ist übervoll. Es wiederholt die Zeichen, damit die Stadt zu existieren beginnt.”


Zitat aus “RUHRTEXT. EINE REVIERLEKTÜRE” von Florian Neuner. Das knapp 500 Seiten starke Buch mit einer Fotoserie von Jörg Gruneberg ist im März 2010 im Klever Verlag in Wien erschienen