Faune im Sturm
Mittelalterliche Musik und Majorlabel
Was ist das Erfolgsgeheimnis der Pop-Kultur? Dass sie in der Lage ist, Gegenkulturen zu integrieren.
Schreibt Frédéric Martel in Mainstream. Wie funktioniert, was allen gefällt: Massenkultur sei erfolgreich, wenn sie Ideen nicht wegklaut, sondern einbaut, wenn sie Talente nicht kopiert, sondern integriert: “Dieser Alchimie”, so hatte das bereits Karl Marx genannt, “widerstehn nicht einmal Heiligenknochen und noch viel weniger minder grobe res sacrosanctae”.
res sacrosanctae sind die heiligen Dinge. Zu ihnen, den minder groben, zählen heute viele die Musik von FAUN: mittelalterliche Musik in eigenwilliger Mischung, der Klassik fast näher als dem Folk, gespielt auf Dutzenden akustischer Instrumente, gesungen in kaum weniger vielen Sprachen Europas und getragen von einer unschuldigen Romantik. Eine Gegenkultur?
Sagen wir: eine Subkultur. Eine, die sich und ihre Ästhetik nicht als Mainstream versteht. Ihre Fans: keine Stadion-, eher Kirchgänger [ist schließlich das 5. Mal, dass Faun bei uns spielt]. Kürzlich sind Faun allerdings zu einem Majorlabel gewechselt, der Sturm hat begonnen.
Er ist beides, ein Sturm der Kritik und Ansturm auf die Tickets. Im Forum von Faun schreibt beispielsweise jemand:
Eindeutig das Ende eines Traums, den WIR geträumt haben – eine platte Bauchlandung im Supermarkt nach einem langen Trip. Aber […] WIR sind schuld, denn wir haben unsere Träume, unsere magische Welt in die Band hinein projeziert.”
Es gibt viele Kommentare, die in diese Richtung gehen, auch auf Facebook, auch viele, die rabiater sind. Was daran stimmt: Das neue Album hebt den Pop-Pegel deutlich an. Einige Songs gehen schnurgerade als Schlager durch [bei Koch Universal stehen Künstler wie Karel Gott, Gitte Haenning oder Nina Hagen unter Vertrag], da klingt dann das Mittelalter sehr nach Idylle.
Aber was solls, das ganze Album ist wie eine dieser Alltagsfluchten, die auch die Abgebrühten nehmen, wenn sie alleine sind und keiner sieht, dass sie Titanic sehen und nicht Titel Thesen Temperamente.
War das vorher alles so viel anders? Hatten Faun nicht auch vorher eine Traumwelt entworfen? Haben sie nicht immer schon schöne Märchen erzählt?
Sie tun es weiterhin, sie tun es weiterhin mit ihren märchenhaften Instrumenten, sie tun, was populäre Kultur seit dem Mittelalter tat. Jetzt allerdings in keinem Seitenarm des Mainstreams mehr, sondern mitten auf dem Fluss. Ich finde den Schritt, den Faun getan hat, folgerichtig.
“The Medieval Spring” heißt das Konzert, und dass es eine Abendkasse geben wird, darauf würde ich nicht wetten.
>> Sonnabend 23. März | 20 Uhr