Jenseits des Navi
Keiner drückt Knöpfe intelligenter als Kreidler
Die deutschen Charts. Unendliche Enge. Wir schreiben das Jahr 1994. KREIDLER gründet sich in Düsseldorf, die Stadt war früher Hauptstadt für Musik. Jetzt machen diese Vier Musik, gefühlt so lange wie die Stones, gesehen um Epochen jünger, gehört um Äonen besser. Sonar-Festival, Centre Pompidou, das MoMa in New York: KREIDLER haben an Orten gespielt, die jenseits des deutschen Navi liegen. Lichtjahre von Bochum und “Bochum” entfernt, dringen sie in Welten vor, die weder Mensch noch “Mensch” zuvor gehört haben.
Dabei legen sie gar keinen hörbaren Wert darauf, authentisch zu wirken oder echt oder ur: Düsseldorfer sind Düsseldorfer Schule, das ist klar, KREIDLER sind Weiterführende Schule. Sie remixen Bands wie Einstürzende Neubauten, Depeche Mode oder Eurythmics und fliegen in fremde Welten, wo sie Soundtracks spielen für Pina Bausch, ein Opening für Andreas Gursky, Modenschauen von Chanel und Lacoste. Und jetzt der Kubus.
Der Raum im Raum. Unendliche Weiten. Der Kubus ist das Clubformat von urban urtyp, eigens für dieses Konzert in die Kirche gebaut. Ein Restraum dessen, was es im Ruhrgebiet immer weniger gibt: den unverplanten Raum, unabgezirkelte Zonen, ungegängelte Zuständigkeit.
urban urtyp ist Indie-Reihe für Indie-Musik, und Indie sind KREIDLER gewesen und immer noch: Ihre Musik hat sich über die Jahre verändert, aber sie haben sie nicht “entwickelt”, als ginge es bei ihnen zu wie im Kulturentwicklungsplan fürs Ruhrgebiet, sie sind nicht berechenbar.
Was geblieben ist: ihr minimalistischer Sound, von Elektroniks getragen, die Monotonie von Fernreisen, eine hypnotische Spannung. Und eine ausgeklügelte Dramaturgie. 4000 Jahre her, dass Knöpfe erfunden wurden, selten wurden sie intelligenter gedrückt. Düsseldorfer Schule ist eben keine Gemeinschaftsschule, hier werden Eliten stabilisiert.
Zum großen Glück für unseren Kubus und andere Universen: Nach Hauschka und Stabil Elite sind KREIDLER die dritten D’Dörfler, die urban urtyp werden.