Literatur, urban urtyp

Helene Hegemann liest aus “Jage zwei Tiger”

urban urtyp Lesung | 22. September

Helene Hegemann by Alexandra Kinga Fekete (c)

uu macht Sprache zum Konzert, diese: “Und dann gab es original eine einzige Parklücke. Und die war klein. Ich so: Julia, du kannst einparken, jetzt park einfach ein. Und dann so eingeparkt. Und dann so Stille im Auto und ich so ‘yes’. Und alle so: ‘Ja, nicht schlecht.’ Wir stiegen aus, gingen in dieses Ding rein …” 

Helene Hegemann. Das ist nicht AXOLOTL ROADKILL, ihr Ü-Erfolg von vor drei Jahren, sondern aus JAGE ZWEI TIGER, dieser Tage erschienen und in allen Feuilletons besprochen, die auf sich halten.

“Als sie in ihren Körper zurück kehrte, war sie zum ersten Mal von der Existenz eines Lebens nach dem Tod und davon überzeugt, dass sie sich niemals botoxen lassen würde.”

Der Hegemann-Sound. Vor drei Jahren bereits waren die Feuilletons schwer beeindruckt. Eine 17jährige! Ein Fräulein-Wunder! Dann kam das mit dem Plagiat, 2 von 200 Seiten hatte Hegemann einem Blog entnommen, und schon wurde sie  –  “Fräulein Wunder hat abgeschrieben”, höhnte die SZ  –  durch eben die Feuilletons gehetzt, die sie gejazzt hatten. Das Gerontokrat schlug zurück. Heftige Debatte, schwer verlogen, was Durs Grünbein auf den Punkt gebracht hat: Es gehe doch gar nicht um die Grenze zwischen Gemeingut und Plagiat, sondern um die zwischen Jung und Alt, das Ganze sei ein “hässlicher Biodiskurs”.

Und Hegemann? Schreibt. Ihr neuer Roman –  sie ist in Bochum aufgewachsen  –  spielt literarisch in der ersten Liga und führt der älteren Spielergeneration vor Ohren, was drauf hat, wer nachrückt.

Es ist nicht viel, es ist zu viel. Die Wahrnehmungs- und Erfahrungsroutine  –  Hegemann ist jetzt 21 und in Berlin  –  ver-x-facht sich wie das Speichervolumen von Festplatten. Ein Neuland nach dem anderen, je größer, je normaler. In dieser Welt, aus der Hegemann erzählt, ist alles neu, vertraut und programmiert. Schreiben, sagt Hegemann, und jetzt folgt ein großartiger Satz, ist etwas, “mit dem man sich vom Skript des eigenen Lebens befreit”.

Sie macht es und erzählt davon. Nicht aus ihrem eigenen Leben  –  auch wenn Bochum in “Jage zwei Tiger” auftaucht, Bochum mit Bismarckturm und Pfadfinderverein  –  sondern aus fiktiven. In Hegemanns Worten:

“Es geht um drei Teenager, die sich in Extremsituationen befinden, denen was wegbricht, was ihre Lebensbedingungen ausgemacht hat. Dazu müssen sie sich neu verhalten. Gute Grundvoraussetzung für eine Geschichte …”

Die davon handelt, dass man selber handelt. Und sich dagegen wehrt, am Ende des eigenen Films zu denen zu gehören, “deren Tod nur zum Fortlauf der Scheißhandlung dienen”. Ob sie im wirklichen Leben “auch so viele kaputte Typen” kenne wie in Ihrem Buch?, fragte BILD. Hegemanns Antwort – ihre Interviews sind mindestens so gut wie ihr Buch:

“Was heißt kaputt? Ich finde, die dealen alle halbwegs adäquat mit ihrer Kaputtheit … “

Sie dealt mit ihrer eigenen Geschichte, ihrem Start als Wunderkind – erstes Theaterstück mit 15, erster Film mit 16 usw., ihr Vater ist Dramaturg an der Volksbühne Berlin und war auch mal am Schauspielhaus – und mit der Erfahrung, erst in den Himmel und dann in den Dreck geschrieben zu werden:

“Das ist doch ein endgültiger Startschuss, wirklich das zu machen, was man will. Stilechter Befreiungsschlag. Man hat weder einen Ruf zu verteidigen noch einen aufzubauen …”

Schwerstsouverän, um eine Vokabel von ihr zu nutzen. Und eben nicht altklug, wie manche nörgeln, sondern abgeklärt, wie alte Kluge gerne wären. Beispiel:

“Erst als sie im Fahrstuhl des Townhouses standen, auf dem sich ihr Penthouse befand, wandte Silvana sich Kai zu: ‘Siehst du das hier, Kai? Den Knopf, den ich gerade gedrückt habe?’

Sie sprach mit ihm wie mit einem Vierjährigen, den Finger auf das ‘DG’ der Fahrstuhlanzeige gerichtet. Kai nickte skeptisch. ‘Und was glaubst du, wo wir jetzt hinfahren?’, fragte sie. Ihre Stimme war irre rau, ihre Haut braun, ihr Style wohl als sportlich zu bezeichnen.

‘Ähm, ins Dachgeschoss?’, antwortete Kai.

Silvana seufzte und sagte: ‘Schade, mein Patensohn ist genauso alt wie du und hätte jetzt ‘Dolce und Gabbana’ geantwortet.’

Die Wohnung war leer und …”


>> Sonntag, 22. September
>> ab 19 Uhr Musik, Schlegel Urtyp und urban urtyp Palaver, ab vielleicht 20:30 Uhr liest Helene Hegemann aus “Jage zwei Tiger”
>> Der Eintritt ist, völlig verrückt, völlig frei !