Kultur & Theologie

Laibach

Von Honke Rambow

Logo von Laibach (cc)

Das Plakat zum ersten öffentlichen Auftritt von LAIBACH 1980 in der slowenischen Bergarbeiterstadt Trbovlje zeigte den Bandnamen und darüber das dicke, leicht in der Symmetrie verzerrte schwarze Kreuz. Allein diese Kombination reichte den damaligen jugoslawischen Machthabern, um den Auftritt zu verbieten.

Dabei war es nicht nur die verpönte deutsche Bezeichnung für Ljubljana, die den Unwillen erregte, sondern die Kombination mit dem wohl als christlich verstandenen Symbol. Freilich entlehnten LAIBACH das Kreuz nicht so sehr der christlichen Tradition, sondern bei dem russischen Avantgardisten Kasimir Malewitsch.

Das macht die Sache noch etwas komplizierter, denn sein erstes suprematistisches Gemälde  –  das schwarze Quadrat, heute eine Inkunabel der modernen Malerei  –  lud Malewitsch selber religiös auf, indem er es bei der ersten öffentlichen Präsentation schräg in die obere Ecke des Raumes hängte; an jenen Ort im Haus, der traditionell der christlichen Ikone vorbehalten ist.

Indem sich LAIBACH das Malewitsch-Kreuz zu eigen machen, verweisen sie einerseits gezielt auf den Beginn einer spezifisch slawischen Avantgarde, nehmen die christliche Assoziation aber gerne in Kauf.

Neue slowenische Kunst

Die Wahl des Kreuzes erwies sich schnell als eine Art Glücksfall, denn LAIBACH umgingen in der Folge ein Auftrittsverbot, indem sie auf die Kommunikation ihres Namens verzichteten  –  das schwarze Kreuz war als Identifikationsmarke stark genug. Auf Armbinden, die es auch heute noch im Fanshop zu kaufen gibt, markiert das schwarze Kreuz die Zugehörigkeit zu einer Kunst-Armee, der Retrogarde. Dabei gehört der Rückgriff auf ein ikonisches Gemälde von 1915 zur Methode, denn bis heute geht es bei LAIBACH und den zum Gesamtkollektiv Neue Slowenische Kunst gehörenden Gruppen IRWIN, Novi Kollektivizem, Gledališče Sester Scipion Nasice auch um die Schaffung einer neuen eigenständigen slowenischen Kunst.

In den 1980er Jahren stand der Rückgriff auf Motive aus dem slowenischen Impressionismus im Vordergrund, später waren es dann vor allem IRWIN, die mit ihrem großangelegten Projekt East-Art-Map die Eigenständigkeit der slawischen Kunst-Tradition betonten.

Der wichtigste Beitrag LAIBACHS zu einer Entwicklung eines slowenischen Nationalbewusstseins war das großdimensionierte Musiktheaterwerk „Krst pod Triglavom“ (Die Taufe unter dem Triglav), 1986 in Ljubljana realisiert. Mit Bezug auf France Prešerens Nationalepos „Die Taufe in der Sava“ zeigt die Handlung die Geschichte der Christianisierung der Slowenen und lädt sie wiederum mit den Ikonen der russischen Avantgarde  –  unter anderem dem Tatlin-Turm  –  auf.

Strategie der Über-Identitifikation

LAIBACH als slowenische Nationalisten zu lesen, wäre aber zu einfach. Alles bei Laibach hat einen doppelten Boden, der manchmal  –  fälschlicherweise  –  als Ironie betrachtet wird. Tatsächlich ging es der Band nie um den schlichten ironischen Witz, der kritisierte Denkmuster letztlich nicht angreift, sondern stabilisiert.

Sie entwickelten stattdessen die Strategie der Überidentifikation, um ihr Mißtrauen gegenüber jeglicher einfacher Ideologie zu transportieren.

Überidentifikation macht sich die Mittel und Ideen eines Systems zu eigen in einem Maß, das über das des eigentlichen Systems hinaus geht und in diesem Zuviel an Ideologie letztlich die Unzulänglichkeit des real existierenden Systems offenlegt. Als trete man nicht einen Schritt zurück, um besser zu sehen, sondern einen Schritt voraus.

Mit der Strategie der Überidentifikation bewegten LAIBACH sich über etliche Jahre im wohlkalkulierten Missverständnis und waren auch in ihren Äußerungen stets bemüht, keinesfalls Aufklärung zu liefern. Das änderte sich erst mit ihrem Album WAT (We Are Time) von 2003.

„We are no ordinary type of group
We are no humble pop musicians
We don’t seduce with melodies
And we are not here to please you“

Auch wenn sie nur eine Reihe von Verneinungen liefern  –  so deutlich wie hier haben LAIBACH nie zuvor erklärt, wer oder was sie sind. Nach der Zerschlagung Jugoslawiens, die sie noch mit ihrem Album NATO kommentiert hatten, musste sich das Kunstkollektiv nach neuen Themen umschauen, selbst viele langjährige Fans waren nicht sicher, ob das gelingen könnte. Das Album „Jesus Christ Superstars“ von 1996 wirkte merkwürdig schwach. Sieben Jahre, in denen ausschließlich älteres Material wieder veröffentlicht wurde, dauerte es bis zum WAT-Album, es wurde zum Befreiungsschlag:

LAIBACH weiteten ihren Blick auf Europa aus. Eine Perspektive, die auch das bisher letzte Album „Spectre“ prägt. Verstörend wirkte dieses Album vor allem auf langjährige Fans, die weder mit dem melodiösen Electro-Pop noch mit den sehr klaren politischen Botschaften klar kamen.

Heute ist LAIBACH Sloweniens wichtigster Kulturexport. Das Album „LaiBachKunstderFuge“, das sie für die Leipziger Bachtage produzierten, spricht davon genauso, wie ihre Musik für Theaterprojekte von Sebastian Baumgarten und Milo Rau, die Beteiligung an einem Sampler, den die amerikanische Botschaft zum 70. Geburtstag von Bob Dylan produzierte oder die EP, die LAIBACH zum Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto für das polnische Kultusministerium produzierten.

Dann, Sommer 2015, die erneute Verstörung, Überidentifikation als ästhetische Strategie: Laibach spielt in Nordkorea.


HONKE RAMBOW schreibt u.a. für Coolibri, ruhrbarone sowie das Kulturmagazin K.West und ist verantwortlicher Redakteur des Szene-Flyers bochum offline.