Pressefreiheit, Königstochter
Stefan Laurin: Impuls für Kundgebung "Pulse of Europe"
“Die Pressefreiheit hat in der EU wenige Anhänger.” Stefan Laurin von den Ruhrbaronen hat beim Pulse of Europe gesprochen. Kein euphorischer, ein nüchterner Blick auf ein Projekt, das Friedensprojekt bleiben und Freiheitsprojekt werden muss: “Es gab mal eine Zeit, in der ich ein begeisterter Europäer war. Das fiel mir nicht schwer: Mein Vater ist Kreter, stammt also von der Insel, auf der die Königstochter Europa, die dem westlichen Zipfel der großen, asiatischen Landmasse ihren Namen gab, diese erstmals betrat. Mein Großvater mütterlicherseits war Jugoslawe, mit einer nationalen Identität konnte ich also nie viel anfangen und da kam Europa gerade recht. Früher verschaffte Europa, verschafften seine Institutionen mir neue Freiräume: Modems, in Deutschland lange illegal, waren auf einmal zu kaufen, weil Europa den Markt öffnete.
Man konnte jetzt ins Internet und musste keine teuren Geräte mehr bei der Post kaufen. Reisen über Ländergrenzen hinweg wurde immer einfacher, irgendwann kam der Euro und man konnte überall mit demselben Geld zahlen. Europa war eine gute Sache, Europa schuf Freiräume.
Das ist lange her. Das Europa von heute ist zwar in der Lage, Plastikstrohhalme zu verbieten und mit immer wahnsinnigeren Vorgaben ganze Industrien zu vernichten, wie es gerade mit der Automobilindustrie geschieht, aber die Freiheiten seiner Bürger kann es nicht schützen. In Großbritannien, das leider bald aus der EU ausscheidet, mussten Journalisten schon geheime Dokumenten löschen. Der Gerichtsberichterstattung sind enge Grenzen gesetzt. In Ungarn, Malta und Polen greifen die Regierungen die Pressefreiheit an und bekommen dafür mit der Europäischen Union weniger Ärger als ein Hersteller von Ohrstäbchen. In Italien manipulierte Berlusconi mit seinen Sendern die öffentliche Meinung und niemand fiel ihm in den Arm. In Deutschland lässt die EU es zu, das private Anbietern sich im Internet gegen eine massive Konkurrenz durch zwangsfinanzierte öffentlich-rechtlichen Medien erwehren müssen, in deren Aufsichtsgremien Politiker und Vertreter von politiknahen Organisationen sitzen.
Die neue Datenschutzverordnung macht gerade kleinen Anbietern das Leben schwer. Dass wir alle zudem für Fanseiten auf Facebook haften sollen, ist schlichter Wahnsinn. Wer solche Gesetze erlässt, ist kein Freund freier Medien. Allein in Deutschland haben weit über 200 Blogs in den vergangenen Wochen ich Erscheinen eingestellt. Unsere Nachbarstadt Dortmund hat das neuen Datenschutzgesetz genutzt, um Presseanfragen zu blockieren. Mal schauen, wann andere Städte und Behörden nachziehen. Zur Belohnung wird Jan Philipp Albrecht, der grüne Vater dieses Trumm von einem Gesetz, bald Minister in Kiel.
Die Pressefreiheit hat in der EU wenig Anhänger. Jenseits von verbaler Solidarität träumt man von Medienräten, die unter dem Banner von Qualitätskontrollen nicht nur über Zuschüsse entscheiden, sondern auch darüber, wer sich Journalist nennen darf und wer nicht – das zumindest war das Ergebnis einer EU-Enquetekommission vor wenigen Jahren. Wer es sich angewöhnt hat, zu regulieren, tut sich nun einmal schwer damit, Freiräume und Freiheit zu verteidigen. Das Denken vieler Politiker und Beamter in Brüssel ist genau darauf ausgerichtet, mehr Regeln zu schaffen, nicht darauf diejenigen zu schützen, die wie Journalisten, möglichst viel Freiheit brauchen, um ihre Arbeit machen zu können.
Natürlich ist es in den meisten Staaten der Europäischen Union immer noch deutlich besser als in Russland oder Venezuela, ist es sicherer als in der Türkei und im Vergleich zu China, Nordkorea oder den islamisch dominierten Staaten leben wir im Paradies. Hier wird niemand ausgepeitscht bis er stirbt, ein Urteil, das gegen den saudischen Blogger Raif Muhammad Badawi wegen Gotteslästerung verhängt wurde. Er hatte nur ein paar fromme, aber zweifelnde Verse verfasst.
Aber immer ungefährlich ist die Arbeit nicht: Wer über Rechtsradikale, Islamisten oder linksradikale Sekten wie die MLPD berichtet, muss sich auf Ärger einstellen. Der kann ganz simpel so aussehen, dass man am Ende des Tages eine gebrochene Nase hat oder aber mit Abmahnungen überzogen wird, die auch wenn sie am Ende erfolglos sind, Geld für anwaltliche Beratung und sehr viel Zeit kosten. Viele entscheiden sich, es dann doch lieber zu lassen. Gegen das Abmahnunwesen geht keiner vor, auch wenn dies schon oft in Aussicht gestellt wurde. Das ist sicher kein Problem, dass die EU so einfach lösen könnte, aber es ist eines mit dem sich die Politik zu beschäftigen hätte. Man ist in solchen Fällen oft von der Polizei abhängig und in Deutschland, vor allem in Bochum, sind viele Beamte engagiert und hilfsbereit. Ich habe in alle den Jahren nie schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht, im Gegenteil. Aber in vielen Staaten sieht das ganz anders aus.
Und diese Staaten erhalten keinen Druck, ihnen wird nicht damit gedroht, die EU verlassen zu müssen. Die EU gilt als Friedensprojekt, das ist sicher richtig, aber wenn sie kein Freiheitsprojekt ist, ist sie nicht mein Projekt. Frieden ohne Freiheit hat keinen Wert.
Stefan Laurin