Kirchenmusik

“The Making of the Nazi”

Disney, Mendelssohn und die Stadtkantorei

Ein kleiner Disney Film, er ist von 1943: „Education for Death, The Making of the Nazi“ erzählt die Geschichte von Hans, der, in die frühen Hitlerjahre hinein geboren, zu einem frommen Nazi erzogen wird: „marching and heiling“, marschieren und heilhitlerbrüllen. Ab Min 8:10 folgender Szenenablauf: Fackelmarsch, eine Bücherverbrennung, ein christliches Kreuz wird abgeräumt, eine Kirche niedergebrannt:

Historisch ist diese Szene ab 8:10 nicht, zerstört wurden die Synagogen. Interessant aber, welche Bücher im Film verbrannt werden: Voltaire, Spinoza und Mendelssohn. Aufklärung, Religionskritik und Bürgertum.

Oder nochmal anders: rationale Religion, jüdische Religionskritik, emanzipierte Kultur. Werden sie aus dem Denken verbannt, verschwindet das Kreuz, die Kirche geht zugrunde.

Um diese Einsicht Disneys nun auf Mendelssohns „Elias“ anzuwenden, den die Stadtkantorei jetzt am Samstag singt:

Von Elias, einer zentralen Gestalt des Judentums, kennt man bei Kirchens vor allem die Geschichte, die in 1 Könige 18 erzählt wird, eine Art Wettkampf zwischen Gott und Götzen: 450 Priester auf der einen Seite, sie verehren Baal, einen Wetter- und Furchtbarkeitsgott, in ungezählten Bildnissen und Statuen dargestellt. Ihnen gegenüber Elia, sein Gott ist unsichtbar. Jede der beiden Parteien opfert einen Stier, die Vereinbarung lautet,

    „der Gott, der mit Feuer antwortet, der ist Gott.“

Die Baalpriester scheitern, wer tatsächlich Feuer vom Himmel regnen lässt, ist der unsichtbare Gott. Daraufhin lässt Elia alle 450 Baalpriester töten.

Ein Gottesbeweis? Und gleichzeitig ein Beweis dafür, dass dieser eine und einzige Gott brutal und rachsüchtig sei? Dass Monotheismus  –  so ja der gängig religionskritische Vorwurf, der ziemlich häufig ziemlich antisemitisch konnotiert ist  –  dass dieser jüdische Gott zu Mord und Totschlag führe?

Weder noch, die Geschichte geht weiter, die Baal-Verehrer bleiben übermächtig, Elia muss fliehen, er verzweifelt an seinem Gott: „Ich allein bin übrig geblieben.“ Und da passiert es, der Unsichtbare zeigt sich ihm  –  allerdings anders als gedacht, er zeigt sich, indem er sich nicht zeigt: 

    „Und siehe, Gott ging vorüber und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, ging vor Gott her; aber Gott war nicht im Winde. Nach dem Winde aber kam ein Erdbeben; aber Gott war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber Gott war nicht im Feuer.“ 

Feuer also  –  eben noch der ultimative Gottesbeweis  –  beweist gar nichts. Ein Gott, der mit Feuer antwortet, ist keiner. Auch die anderen Elemente der Natur  –  in der griechischen Philosophie wurden sie alle erst einzeln, dann alle zusammen zum Urstoff erhoben  –  sind nicht Gott, und weiter: Natur in toto ist nicht Gott, sondern Gott ist nach ihr, griechisch: meta physis. Biblisch geht das so:

    „Nach dem Feuer aber kam eine Stimme verschwebenden Schweigens.“

Stimme ist Geist, in Physis übersetzt. In ihr, dieser schweigend verschwebenden Stimme (so hat Martin Buber übersetzt), in ihr erkennt Elia Gott. Nicht im Feuer, nicht im Opfer, nicht im Triumph.

Elias Geschichte zeichnet einen Erkenntnisweg nach. Ein Weg, der sich quer durch den Tenach zieht und die Einsicht formt, dass Natur außerstande ist, einen Gott freizusetzen. Dass Natur sich weder selber erschaffen noch selber erlösen kann. Dass Gott, wenn es ihn gibt, anderes sein muss als Natur, nämlich Geist, und dass Vernunft, wenn es sie gibt, mehr sein muss als Fressen und Gefressenwerden. Die Kritik am Opfer, an dem Wettstreit mit den Baalpriestern und an deren Tod ist ein Kapitel dieser Geschichte.

Und damit zurück zu Walt Disneys Nazi-Demontage. Ab Min 5:34 erhält Hans eine “Naturkundestunde”, die Lektion lautet: “Die Welt gehört den Starken.” Und dann, so geht diese “fire-education” weiter, ist es das Feuer der Fackeln, das jene Stimmen verbrennt, die sich weigern, Natur anzubeten und ein Recht, das der Stärkere habe.

MENDELSSOHN BARTHOLDY | ELIAS op. 70

Oratorium nach Worten des Alten Testaments für Soli, Chor und Orchester

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Sibylla Rubens | Sopran

Elvira Bill | Alt

Kieran Carrel | Tenor

Klaus Mertens | Bass

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Stadtkantorei Bochum

Bochumer Symphoniker

KMD Arno Hartmann, Dirigent