“Wenn mein eigener Name darunter wäre”
Rede zum 27. Januar, Synagoge Bochum
(thw) Die Stadt, in der wir heute zusammen leben, ist eine, die ihre Juden damals vertrieben hat. Auch Bochum hat seine jüdischen Bewohner in den Tod deportiert, auch das war heute:
Heute vor 77 Jahren hat die Stadt die erste von mehreren Deportationen organisiert, am 27. Januar 1942 fuhr der erste Zug aus Bochum in die Todeslager.
Die Namen der Bürgerinnen und Bürger, die deportiert und ermordet worden sind, werden jedes Jahr in Bochum erinnert. Allerdings werden sie hier in der Synagoge erinnert. Ich frage mich, warum werden sie nicht im Rat der Stadt Bochum erinnert. Das ist der Ort, der Bochums Bürgerschaft repräsentiert.
Und wenn sich dann jede Fraktion im Rat, die auf Demokratie hält, am Lesen beteiligte, einmal im Jahr – immer in der Woche des 27. Januars, die eh Sitzungswoche ist für den Rat – einmal im Jahr die Namen ihrer deportierten Bewohner zu nennen, dann wäre es möglich, einmal im Jahr die andere Perspektive einzunehmen, die jüdische.
Dann wäre es möglich, einmal im Jahr die Namen zu lesen und zu hören und sich vorzustellen: Was, wenn der Name meiner eigenen Familie darunter wäre? Wenn mein Name auf Seiten dieser Namen stünde?
Und dann die nächste Frage: Lebte ich, hätte ich überlebt? Heute in Bochum? Was schenkte mir das Vertrauen in diese Stadt, woher käme das Vertrauen in uns?
Ich glaube, sich als Nichtjude solche Fragen zu stellen, ist wichtiger, als Antworten zu geben.