Ausstellung

Alles Neue ist ein Lost Place

urbEXPO in den Schlegel-Kellern, Eröffnung bei uns

Frank Scheil, Das Wellness-Hotel (c) – urbExpo 2020

Verlassene Orte rücken näher. Anfangs war es nur das Paradies, das menschenleer lag, dann kamen die Burgen und Schlösser dran, dann die Brutalos der Industrie, dann die Kirchen und Kinos und Karstadt, jetzt ist es die Kortumstraße, die Einkaufsmeile nebenan, und morgen wird es der 80er-Bürokomplex sein, “damals modern, heute problematisch”. 

Früher überdauerten Gebäude Generationen, heute dauern sie ein halbes Leben, wozu noch eine urbEXPO?

Weil die Bilder sehen lehren. Nämlich dass man die Bauwerke ringsum betrachten kann, als seien sie schon wieder weg.

Frank Scheil, Das Wellness-Hotel (c) – urbExpo 2020

Dass man ihnen die Ewigkeit verweigern kann, die sie für sich reklamieren. Den Kniefall, den sie einfordern wie etwa der Koloss von Schloss, dessen herrische Geste über Berlin wegwischt, als sei das alles  –  Demokratie, Pluralismus, schöner Wohnen für alle und Müllschlucker für jedermann  –  als sei das alles mickerig.

urbEXPO sehen heißt: So ein Schloss und ähnlich großkotzige Bauten mit jenen Augen zu betrachten, mit denen etwa Frank Scheil  –  siehe die beiden Fotos oben  –  ein Wellness-Hotel der 70er betrachtet hat: damals modern, heute perdu.

Jeannette Fiedler (c): Olympische Bob- und Rodelbahn im Minenfeld; Sarajevo 2020

Und dann beginnt man zu unterscheiden in das, was einem zu denken gibt und das, was einem das Denken verwehrt.

Es gibt gar nicht so viele Bauwerke, an denen man sich  –  weil sie zu denken geben  –  nicht satt sehen kann. Und gar nicht so wenige, an denen man sich  –  weil sie jeden Gedanken, der ihnen gilt, vergeuden  –  längst leid gesehen hat. Das ist keine neue Einsicht, klar, der Punkt ist, dass es der künstlerische Blick ist, der den eigenen schärft. Spätestens die Coronära definiert einen Alltag, in dem gilt: Wer Lost Places sehen will, kann aus dem Fenster schauen.

Aber kann er sehen, was Julia Kalinowski sieht? Die das, was sie durchs Fenster sieht, mit dem Fenster rahmt?

Julia Kalinowski (c) Im Rahmen verfallen | urbEXPO 2020

Die Welt und ihre Gebäude betrachten, als seien sie Zeugen ihres Verfalls. Auf die Gegenwart blicken, als sei sie von ihrer Zukunft eingeholt. Es ist ein Blick, der das Empfinden schärft für das, was zählt, weil es etwas erzählt.