Es wird so schnell kein Ostern geben
Erst das Staatsverbrechen, drei Tage später die Aufklärung, biblisch: die Auferstehung. So lief es Jahr für Jahr zwischen Karfreitag und Ostern, in diesem Jahr nicht. Das Staatsverbrechen, damals römisch, heute russisch, dauert an: „Golgatha, das ist heute in Butscha, Mariupol, Charkiw.“ Sagt Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der EKD. In drei Tagen werden Butscha, Mariupol und Charkiw nicht auferstanden sein.
Vielleicht später? Das die Frage, mit der die christliche Hoffnung erstanden ist, erst mutlos, dann übermütig. Den Übermut hat die Apokalypse ausgemalt mit Reiterhorden und Flammen und mächtigen Flugobjekten. Heute ähnelt sich dem die Wirklichkeit an. Als stünde die Zeit in einer Zwischenzeit still, einem andauernden Karsamstag.
Und kein Ostern in Sicht. Hoffnung richtet sich derzeit auf keine himmlischen Mächte für alle, sondern auf mächtige Flugobjekte für die Ukrainer.
Politisch ist das evident. Und theologisch deshalb interessant, weil die Bibel dichter dran ist an der Wirklichkeit als, sagen wir, die SPD.
Was sich in drei oder weniger Tagen nun allerdings doch ändern lassen sollte. Es bleibt ein Hauch von Oster-Hoffnung. Veni, creator spiritus, mentes tuorum visita.
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Mit Religion habe er nicht viel zu tun gehabt, sagte er über sich, hatte aber – wie der römische Hauptmann im Markus-Evangelium – den Blick fürs Kreuz:
„Überall auf den Friedhöfen der Bretagne und Normandie entdecke ich Kruzifixe in den unterschiedlichsten Stadien des Zerfalls, liebevoll auf dem Grab platziert und dekoriert.“
Die Bilder, die er vom Kreuz gemacht hat, setzen die Ikonographie der Leiden Jesu fort. Traurig und schön, anstößig wie Blasphemie:
“Ein fehlender Kopf wird durch Blumen ersetzt. Wenn die Schrauben für die Befestigung durchgerostet sind, wird der Corpus mit Draht befestigt. Mich interessiert das Einswerden mit dem Untergrund, der stetige Verfall durch Korrosion, das Überwuchern mit Pflanzen bis zur fast totalen Auflösung von Kreuz und Corpus.”
Und dann, hier und da, ein paar frische Blumen. Als stemme die Trauer sich gegen den Verfall, gegen das Vergessen. Sie widerspricht dem Tod, dem puren Faktum, weil sie nicht aufhören kann zu lieben.
Im März 2020 ist Theo Oberheitmann gestorben. Er war Ehemann und Vater, Großvater und Fotograf, ein Tischler, wie Jesus Tischler war.