Krieg

„Erhöre mich“

Chorwerk Ruhr mit Werken aus dem Krieg

Refugees from Ukraine in Kraków by Silar CC BY 4.0

Der Krieg brach aus, als er 33 war, am Ende des Krieges war Heinrich Schütz 63. Seine Familie war ihm weggestorben, seine Frau, seine Tochter, seine Brüder, seine Mutter. In den Werken, die er aus dieser Welt heraus schuf, hat er die Menschenrechte vertont, 140 Jahre bevor sie deklariert worden sind. Menschenrechte sind die Rechte jedes Einzelnen, sie werden in keiner Welt erdacht, in der Menschen reihenweise weggeschlachtet werden, sondern in einer Gefühlswelt, die imstande ist, um jeden Einzelnen zu trauern. Ziemlich aktuell. Chorwerk Ruhr singt Werke von Heinrich Schütz (1585 – 1672), Nikolaus Brass (*1949), Martin Wistinghausen (*1979). Florian Helgath dirigiert.

Die Angst vor Truppen, die plündern, vor Freischärlern, die morden, vorm Stärkeren, der Recht hat. Die Aussicht, belagert zu werden, eingekesselt und ausgehungert. Die Seuchen, die Pest, die Geißeln. In manchen Teilen des Landes waren am Ende von 30 Jahren Krieg 70 Prozent der Bevölkerung weggerafft. Massenvernichtung ohne Massenvernichtungswaffen, alles geschah händisch. Eine unvorstellbare Brutalisierung.

Und keine Ausnahme, sondern die Regel über 30 Jahre hinweg, von 1618 bis 1648. Aus der Mitte dieser Zeit heraus, 1635/36, schreibt Schütz seine Musikalischen Exequien. Die eine Idee ausdrücken, von der man nur rätseln kann, wie er sie durch das Inferno hindurch bewahrt haben mag: die Idee, dass es  –  ringsum sterben Menschen wie Fliegen  –  der Einzelne ist, um den wir trauen, weil es der Einzelne ist, um den es geht.

Eine biblische Idee. Von Schütz Musik hat man gesagt, sie sei ein „Reden in Tönen“. Sie “leuchtet”, sagt Nikolaus Brass, “sie ist so klar, rein und konzentriert, ohne irgendeine Attitüde.“ In seinen Kompositionen – ebenso wie Martin Wistinghausen in den seinen – sucht Brass, den existenziellen Kern hörbar zu machen in der Musik von Schütz, den unaufgeregten Glauben daran, dass Gott dem Einzelnen zu seinem Recht verhilft: „Sie (die Toten) sind in der Hand des Herren, und keine Qual rühret sie.“

Es ist die einzige Textpassage, die Brass von Schütz übernimmt, „weil ich mich davor verneigen möchte, aber auch vor unserem Nicht-mehr-Wissen, ob es so etwas gibt.“

Bis vor kurzem mochte man denken, dass es sich dabei um ein religiöses Nicht-mehr-Wissen handele, es ist zum politischen Nicht-mehr-Wissen geworden: Wie lange mag sich, angesichts der Bilder, die Putins Armee in die Wirklichkeit hinein bombt, die Vorstellung halten, dass jedes einzelne Leben, auf welcher Seite es sich auch verortet, unendlich wertvoll ist?


“Erhöre mich” | Werke von Heinrich Schütz, Nikolaus Brass, Martin Wistinghausen

Freitag 06. Mai | 20 Uhr | Einlass 19 Uhr

Vanessa Heinisch | Theorbe
Frauke Hess | Violone
Peter Kofler | Orgel

Chorwerk Ruhr
Dirigent: Florian Helgath

Detaillierte Infos zum Programm gibt es hier (klicken)

Tickets (24/12 €) gibt es hier (klicken). Tickets für das im März ausgefallene Chorwerk Ruhr-Konzert bleiben für diesen Abend gültig.

Es gelten die gesetzlich vorgegebenen Corona-Schutzmaßnahmen, dh keine Nachweispflicht, keine Maskenpflicht, aber Maskenempfehlung.