“Reflections On A War”
Über Mike Batt (der leider nicht kommt)
„Oh Schatz, du kommst früher nach Hause? Das ist gerade schlecht, ich hab’ das National Symphony Orchestra im Haus…“ Unkonventionell war Mike Batt schon immer. Mit der beinahe schizophren anmutenden Melange aus dynamischen Rock-Arrangements, opulent orchestrierter Klassik und fesselnden Harmonien, dann aber kombiniert mit nie gehörter arabisch inspirierter Rhythmik und irrwitzig vielschichtigem Chorgesang brachte er schon in jungen Jahren die Plattenbosse zu oft fassungslosem Kopfschütteln. Doch gerade auch sein Hang zu eingängigen Pop-Melodien, die Mike zunächst für bereits etablierte Künstler schrieb, öffnete dem Universaltalent dann wichtige Türen zu bisher kaum erforschten musikalischen Welten.
Von Andreas Posmyk
Autodidaktisch erlernte er schon früh das Dirigieren, um bei seinem fantastisch extraordinären Solo-Debüt „Schizophonia“ (…) gleich das London Symphony Orchestra zu leiten. Sein Name bekam schnell Gewicht auch in klassischen Kreisen.
Eine Urlaubsreise seiner Frau nutzte Mike daheim für die Aufnahmen des Albums „Arabesque“. Ein Anruf genügt da offenbar schon und nicht etwa eine Pizza wird geliefert, doch ein ganzes Sinfonieorchester reist an. Die Violinen im Wohnzimmer, die Celli in der Küche…
„Die Cello-Sektion des National Symphony Orchestra in der Küche zu haben, ist eine tolle Erfahrung – nur dass man dann den Kühlschrank nicht mehr öffnen kann…“.
Mit dem brillanten Album Arabesque erschloss Mike dem Home-Recording so ganz neue Dimensionen. Nur die Reaktion von Mikes Frau ist tatsächlich nicht überliefert…
Die Liste seiner musikalischen Gäste liest sich wie das Who Is Who der Pop- und Rock-Geschichte: Roger Daltrey, George Harrison, Julian Lennon, Lemmy Kilmister, Marc Almond, Kim Wilde, Stephane Grappelli, Cliff Richard, Midge Ure, Status Quo, Steeleye Span, Paul Carrack, Huey Lewis, John Farnham, Rory Gallagher, Justin Hayward, Ray Cooper, Roger Chapman und so viele mehr…
Und natürlich: Katie Melua, die er entdeckte und deren Mentor er wurde. Für sie stellte er seine eigene Karriere hinten an. Fünf international gefeierte Alben nahmen sie auf und mit ihr stieg er ein weiteres Mal empor in den Olymp der Songwriter. Nicht zuletzt das hinreißende „Nine Million Bicycles“ stammt aus Mikes Feder.
Unsterbliche Balladen – „Lady Of The Dawn“, „The Closest Thing To Crazy“ oder natürlich Art Garfunkels „Bright Eyes“ – durchziehen wie Pop-Perlen sein Werk.
Oder auch das pazifistische „Soldier’s Song“, das er für die Hollies schrieb. Es gibt Lieder, die berühren so tief und prägen für ein ganzes Leben – musikalisch und textlich… (unbedingt hören in der von Mike arrangierten Originalversion der Hollies!).
Heute Abend nun wollte Mike Batt, dessen Besuche in Deutschland so rar sind, in der Bochumer Christuskirche gastieren. Aus bekannten Gründen wird das nicht klappen. Und doch hoffen wir sehr, dass wir diesen spektakulären Abend eines Tages realisieren können.
Doch für alle Enttäuschten hier noch ein Tipp: Vor wenigen Tagen enthüllte Mike auf dem Blog seiner Homepage ein seit 50 Jahren unvollendetes und unveröffentlichtes Album. 20 Minuten quasi nagelneue Musik aus dem Jahr 1972: „Variations On A Riff – Reflections On A War“ – eine Reflexion seiner Gefühle zum damals tobenden Vietnamkrieg.
Led Zeppelin? Deep Purple? Bartok? – erneut eine von ihm nie gehörte Facette. Musikalisch so inspiriert wie seine größten Werke. Und fragt man sich, warum das nie veröffentlicht wurde. Doch nun aufgrund aktueller Geschehnisse … ?
Unbedingt reinhören: mikebatt.com
Sehr viel mehr als Bright Eyes … Hoffentlich kommt Mike Batt doch bald einmal in die Christuskirche Bochum.