Peter Heppner
Akustik
Gleich zwei neue Alben? Wer soll das alles hören, wer hat denn soviel Zeit? Das sind Fragen, die Peter Heppner nicht interessieren, er interessiert sich für seine zwei Alben. Für „Confessions & Doubts“, sein neues Pop-Album, und für “Tanzzwang”, sein neues Dance-Album. Und wir treten erst einmal einen Schritt zurück:
Heppner ist eine Stimme, die jeder mal im Auto oder im Wartezimmer gehört hat. Und sie – das macht den Unterschied – erinnern kann. Eine sonore und immer etwas verschleppte Stimme, die nicht eigentlich sang, wie andere singen – also Höhen erklimmen und Tiefen durchwandern – sondern die einem ans Ohr rückte, als lese sie einen Brief vor. Heppner, in der Protestkultur der 80er aufgewachsen, wurde immer zur Dunklen Szene gerechnet, aber so düster war er nie, eigentlich war er immer eher Liedermacher. Und stand mit dem Pop auf Du und Du. Soviel zu seiner Bio und den Wegen, die er zwischen den Szenen zurück gelegt hat. Jetzt zu seinen zwei Alben und den Wegen, die von einer zur anderen führen:
Am Anfang beider Alben standen zwei Dutzend Songs, die hatte Heppner überwiegend mit Dirk Riegner geschrieben. Die eine Hälfte war er romantisch-melancholischer Pop, die andere brachte die Autoren selber zum Tänzeln. Wann immer Heppner das Gefühl hatte, ein Lied müsse nun aber mal tanzbar werden, rief er Riegner das Codewort zu: „Tanzzwang!“
„Es sollte uns beide, die wir wirklich keine Tänzer sind, dazu zwingen, tanzen zu wollen“,
sagt er. Jedes der zehn Lieder hat er in die Hand eines anderen Produzenten gelegt, so u.a. Apoptygma Berzerk, PixTom und Schiller. Die einzige Vorgabe war, das jeweilige Stück dem Plattentitel gemäß zu gestalten. Davon abgesehen galt für alle das Prinzip der Freiheit – und für Heppner darum das der Überraschung. Das Resultat ist ein äußerst spannender Dance-Sampler, der zwischen den Ideen der Produzenten, Heppners Songwriting und seiner Stimme, die als roter Faden dient, korrespondiert.
„Confessions & Doubts“ wiederum ist klassischer Heppner: Romantisch in den Melodieführungen, tief in den Beats und kathartisch im Gesang. Und immer wieder ein Nachhall von Kraftwerk, Jean-Michel Jarre, Moog- und Prophet-Synths, von der Londoner Szene der frühen 80er-Jahre, ein Bogen zwischen Early 80’s und Heute. Damals wie heute brauchte es keinen teuren Technik-Schnickschnack, sondern Ideen, um neue musikalische Alternativen zu kreieren …
… mehr als drei Jahrzehnte Heppnersches Schaffen also. Fragt man zehn Menschen, wer dieser Peter Heppner sei, erntet man zehn verschiedene Antworten. Weil er zehn und mehr Rollen inne hat, er ist Sänger, Produzent und Komponist, ist Hörspielsprecher und Maler, ist die Stimme einiger Hits des Elektronik-Projekts Schiller, und er ist viel gespielte Duo-Hälfte von Wolfsheim und Witt/Heppner. Fragt man ihn selber, sagt er:
„Ich gab mir viel Mühe, mich als Künstler nicht festlegen zu müssen. Kunstwerke sind wie Geständnisse. Man kann viel über mich und meinen Charakter erfahren, wenn man sich mit meiner Musik beschäftigt. Auch Zweifel sind zentral, wenn man Kunst macht. Ich finde, dass der Albumtitel ‚Confessions & Doubts‘ mich als Künstler an diesem Punkt gut beschreibt.“
Er wagt sich an Themen heran, die nicht eben poppig erscheinen. In „Was bleibt“ etwa geht es um Vergänglichkeit, in „Nebel“ – jetzt von der Tanz-Platte – wird ein Herman-Hesse-Text dunkel und warm vertont. Atemstockend das „Theresienstadt hinter der Mauer“, das Lied wurde vom Musikdrama „Die Kinder der toten Stadt“ inspiriert, für das Heppner die Schirmherrschaft übernommen hat.
„…und ich tanz’“ … die trotzige Hymne eines Menschen, der versucht, der Welt ein Gefühl entgegen zu setzen. Getrennt hat Heppner die Songs beider Platten „nach Gefühl“, wie er erzählt. Die beiden separaten Alben arbeiten wie Gegenpole zusammen. Wie alles im Leben.