It is Alice Francis
urban urtyp #31 | 29. Dezember
Sie tritt nicht auf, sie erscheint. So wie in den 20ern die “Flappers” erschienen waren, junge, selbstbewusste Frauen, die ihre eigene Mode entwarfen, eigene Regeln, ein eigenes Frauenbild. Alice Francis – “Miss Flapperty” – entwirft die Gegenwart dieser Geschichte: eigenwillig, selbstbewusst, stilsicher. Mit null Nostalgie.
Als hätte sie – mit der mondänen Geste großer Show, die wirklich wenige beherrschen – das Licht angeknipst. Elektro-Swing ist eben mehr als Party, es ist Stil, und der hat ein Ideal:
Freda Josephine McDonald aka Josephine Baker.
Sie tanzte 1925 nach Europa hinein. Paris lag ihr zu Füßen, dann tout Berlin, Bakers selbstbewusste Erotik räumte eine zugeknöpfte Ordnung auf.
In Wien hielt die Ordnung Bußgottesdienste ab, um dem Ansturm der Baker Herr zu werden, das war nicht wirklich erfolgreich. In Berlin haben das dann die Nazis geschafft. Baker kämpfte in der Résistance gegen sie, und, nächstes Kapitel, 1963 war sie – und zwar in der Uniform des französischen Widerstands – die einzige Frau, die beim legendären “Marsch auf Washington” neben Martin Luther King auf der Rednertribüne stand.
Kings Rede – “I have a dream” – ist weltberühmt geworden, Bakers Rede ist etwas vergessen:
“I have walked into the palaces of kings and queens and into the houses of presidents. And much more. But I could not walk into a hotel in America and get a cup of coffee …”
Am Ende erzählt sie, dass sie gerade eine Einladung des Präsidenten erhalten habe, eine Einladung ins Weiße Haus:
“I am greatly honored. But I must tell you that a colored woman — or, as you say it here in America, a black woman — is not going there. It is a woman. It is Josephine Baker. This is a great honor for me. Someday I want you children out there to have that great honor too. And we know that that time is not someday. We know that that time is now.”
Was das mit Alice Francis zu tun hat? Es ist der Stil und seine Souveränität. Alice:
“Mein großes Vorbild ist Josephine Baker. Sie hat diesen wilden Tanz und die schönen Kleider geprägt. Sie kommt aus einer armen Familie, hatte keine einfache Kindheit und zu der Zeit war sie sicherlich auch Opfer der Rassentrennung. Durch die Musik ist sie regelrecht ausgebrochen. Sie hat gesagt, ‘Na und, ich bin schwarz, ich bin eine Frau und trage trotzdem ein Bananenröckchen’.”
Die Pointe dieser Antwort liegt in dem Wort trotzdem. Man müsste schon ziemlich behämmert sein zu denken, sie hätte den Bananenrock deswegen getragen. Natürlich weiß Alice Francis, dass auch heute eine Menge Leute reich behämmert sind – aber ist das ein Grund, sich den eigenen Geschmack verderben und das Spiel mit Symbolen verleiden zu lassen?
Die 20er Jahre lehren uns, dass wir zu uns stehen sollten: Sei du selbst.”
It is a woman, it is Alice Francis.