Ben Becker
"Todesduell". John Donne & Joseph Brodsky
„Mich hat dieser Text interessiert, weil er von einer unfassbaren Schönheit ist und auf eine zarte Weise gewaltig.“ Ben Becker nähert sich seinem Thema – dem Tod – auf ästhetische Weise, es ist die biblische, die jüdische. Im Zentrum ein Text, dessen Sinn sich durch Form erschließt, sich aber nicht ergründen lässt:
„Die Auseinandersetzung mit etwas, das wir nicht kennen, hilft mir“, sagt Ben Becker dem Berliner Kurier, „ich glaube daran, dass es diese große Unbekannte gibt. Ich glaube aber nicht zwingend, dass da oben jemand sitzt, der auf uns runterguckt und alles leitet. Das ist nicht meine Auffassung von Gott.”
Sondern?
“Für mich ist Gott etwas Unbegreifliches, wie das All. Unsere Vorstellungskraft endet mit der Unendlichkeit. Der Glaube ist für mich nicht greifbar. In dem Moment, in dem ich mich dem Glauben hingeben würde, gebe ich alles Weltliche aus der Hand – und das kann und möchte ich nicht. Im Theater muss man wissen, wo der Feuerlöscher steht.”
In der Christuskirche steht er immer dicht an der Bühne, Becker rückt ihn immer, wenn er kommt, noch dichter heran. Und dann?
“Wenn ich dann aber in die Kirche gehe, hängt da ein Mensch, den man auf brutalste Weise geschlachtet und ans Kreuz gehängt hat – Jesus. Ihm sage ich Guten Tag, und mit ihm rede ich.“
Mit ihm redet er nun in den Worten von John Donne, der Text von „Todesduell“ ist die vielleicht berühmteste Predigt der Welt, gehalten von ihm, dem wortgewaltigen Dichter, im Jahr 1631 vor einer Gemeinde, zu der auch König Charles I. zählte. Vor dem Tod sind alle gleich, diese Predigt sind letzten Worte von John Donne, die er öffentlich sprach, von schwerer Krankheit gezeichnet, beschreibt er, ein Poet, der Prediger von St. Paul’s in London, das Leben als ein dauerndes Duell mit dem Tod. Und erreicht eine Tiefe und Eindringlichkeit, die über das hinausgeht, was eine Predigt ausmacht, sein Text ist eine … Selbstinspektion, eine dramatische Explosion, die sich nach innen richtet. Wahr, erschütternd, schonungslos im Blick auf die Vergänglichkeit des eigenen Lebens und die Vergeblichkeit des eigenen Tuns – und zugleich von einer Kraft und Hoffnung, die dem Tod entgegen sieht und ihn übersteigt, als sähe sie über ihn hinweg. In John Donnes „Todesduell“ gewinnt das Leben.
Ben Becker geht es – ähnlich wie in seiner Auseinandersetzung mit „Judas“, sie hat mehr als eine Viertelmillion Zuhörer in den Bann gezogen – auch im „Todesduell“ um Fragen, die alle angehen, die sogenannten letzten. In Beckers „Judas“ war es der Mensch, der – gegen alle Vorurteile und Feindseligkeiten – um seine Rechtfertigung ringt, ein Mensch, der, zu Unrecht verfemt, sich und sein Leben rehabilitiert. Im „Todesduell“ geht Becker einen weiteren Schritt, mit dem von ihm wieder gelesenen, wieder interpretierten Text lehnt er sich gegen die Vorurteile auf, die über den Tod regieren. Und kämpft im Angesicht des Todes für einen Blick auf das Leben, das ein Geschenk ist, dessen Bedeutung wir ihm aber nur selber schenken können.
Den Dichter des großen Duells mit dem Tod würdigt Ben Becker an diesem Abend mit einem weiteren Text, der „Großen Elegie an John Donne“. So nannte Joseph Brodsky, 1987 mit dem Nobelpreis für Literatur geehrt, seine Hommage an den Meister der metaphysischen Dichtung, Brodsky hatte sich zeitlebens als Donne’s „Schüler“ bezeichnet. Es gibt wohl kein zweites Werk, in dem das Echo von John Donne so verdichtet widerhallt und kein zweites, in dem sich Gedanken in Gedenken verwandelt.
„Er liebt es, wenn sein Denken tanzt“, hat Arno Widmann über John Donne gesagt, wenn es tanzt und kämpft „ums Ganze“: Ohne Gott, so Widmann, sei dies „nicht zu denken und schon gar nicht zu spüren. Zu einem solchen Gott aber gehört die Gottlosigkeit dazu, der ständige Zweifel, ob da wirklich einer sei, der sich zuständig fühle für das Leben.“ Glaube ist – wie das Licht, wie der Schatten – nicht greifbar.
TODESDUELL
John Donne & Joseph Brodsky, gelesen und gedeutet von Ben Becker
Regie & Schauspiel: Ben Becker
Künstlerische Leitung: Marike Moiteaux
Dramaturgie: John von Düffel
Schuke-Orgel: Andreas Sieling, Domorganist des Berliner Doms
Arrangeur: Daniel Ott (MEA/Vienna)
Kostüm: Kristina Weiss-Busch
Artwork & Photography © Faceland.com
Eine Koproduktion von Ben Becker & MSK Meistersinger