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Coco Schumann feat. Peter Lohmeyer

Konzert zum Tag der Befreiung

Coco Schumann während des Konzerts in der Christuskirche by Olaf Ziegler (c)

Zum Swing hat er gefunden, als Robbie Williams lange nicht geboren war: Coco Schumann, 77, einer der besten Jazz-Gitarristen Deutschlands. Mit Ella Fitzgerald hat er gejammt, mit Louis Armstrong, Dizzy Gillespie und mit Marlene Dietrich. “Die Musik”, sagt Schumann, “hat mein Leben geführt, und sie hat es gut gemacht.” Ein Interview mit Coco Schumann

Wie sind Sie zum Swing gekommen, Herr Schumann?

Da war ich 13 Jahre alt und ging oft in die Pestalozzistraße, weil es da die größten Eiswaffeln von Berlin gab. Und vor der Eisdiele hing immer die Hot-Jugend rum, die Berliner Swings, die mit der Hitler-Jugend nichts am Hut hatten. Dafür hatten die immer ein Grammophon dabei, und als ich eines Tages Ella Fitzgerald gehört habe, hat es sofort bei mir gefunkt.

In Ihrer Biographie schreiben Sie, Ihre Familie sei “mehr oder weniger musikalisch” gewesen. Mit welcher Musik sind Sie denn von Haus aus aufgewachsen?

Meine Eltern nudelten alles ab, was auf das Grammophon passte, amerikanische Revuen, Charleston, Jazz. Aber weil meine Mutter Jüdin war und wir im Scheunenviertel wohnten, hatte ich immer auch jüdische Musik in den Ohren, und da besteht ein enger Zusammenhang zum Swing. Viele der großen Swing-Komponisten stammen aus jüdischen Emigran-ten-Familien, George Gershwin etwa, Cole Porter, Benny Goodman. Jüdische Musik swingt aus sich heraus.

Haben die Nazis deshalb den Swing verboten?

Kann sein, aber es interessiert mich nicht, wenn Nazis denken, sie würden denken. Der Jazz entstand aus der Begegnung von afrikanischer und europäischer, meist jüdischer Mu-sik in Amerika. Das war nicht ganz unproblematisch, aber dann verpflichtete Benny Goodman den schwarzen Pianisten Teddy Wilson, und mit dem legendären Konzert in der Carnegie Hall am 16. Januar 1938 fielen die letzten Schranken in Amerika. Zur gleichen Zeit wurden in Deutschland die ersten Schilder aufgehängt: “Swing tanzen verboten”.

Swing ließ sich nicht verbieten, Sie haben bis 1943 im Untergrund weiter gespielt. Was war das für eine Szene?

Eine sehr gemischte. Die meisten waren ein bisschen Opposition, eben weil sie verbotene Musik mochten, aber die wenigsten waren politisch. Die BBC strahlte damals eine Sendung aus, die hieß “Germany Calling”, und deren Erkennungszeichen waren die ersten Takte von Beethovens Fünfter. Man musste nur so lange am Suchknopf drehen, bis man dieses ta-ta-ta-taa hörte. Das übersetzten wir in “Alles wird gut”. Wenn sich nun zwei Swings trafen, dann drehte der eine an seinem Jackenknopf, als suche er einen Radio-Sender, und der andere sagte “Alles wird gut.” Hat eine Weile gedauert, bis die Falschen dahinter ge-kommen sind.

Sie wurden 1943 nach Theresienstadt deportiert. Sie haben Auschwitz überlebt, Dachau überlebt. Hat der Swing Ihnen das Leben gerettet?

In Theresienstadt, diesem Vorzeige-KZ, habe ich bei den “Ghetto-Swingers” mitgespielt, zusammen mit den besten Jazzern Europas, alles Juden oder “Halbjuden” wie ich. Auschwitz war ein Vernichtungslager, wir mussten um unser Leben spielen. Die Musik hat mir die nächsten paar Stunden Leben gerettet, immer und immer wieder.

Hat sich Ihr Spiel durch diese zwei Jahre verändert?

Na sicher. Es ist doch auch kein Zufall, dass der Blues von Sklaven erfunden worden ist. Um den Blues zu haben, dieses besondere Feeling, muss man schon einiges durchgemacht haben. Für mich ist Musik Gefühl, das Leben.

Und was fühlen Sie, wenn Sie die elektronische Musik hören, die heutzutage produziert wird?

Ein gewisses Unbehagen. Ich bin immer dafür, Musik auch auf neue Art zu spielen, ich war der erste E-Gitarrist in Deutschland. Aber morgens beim Rasieren denke ich manchmal, die wissen heute gar nicht mehr, wie eine Gitarre überhaupt aussieht. Diese Musik-Maschinen haben kein Gefühl, kein Leben. Sie sind perfekt, sie machen nie Fehler. Ich mache beim Spielen Fehler, und einige davon mache ich gerne, sie zeugen vom Leben.

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Am 27. Januar  –  dem Tag, an dem die Überlebenden aus Auschwitz befreit wurden  –  spielt das Coco Schumann Quartett in der Christuskirche Bochum. Vor dem Konzert liest Peter Lohmeyer aus “Der Ghetto-Swinger – Eine Jazz-Legende erzählt.” Karten unter 0234 / 33 87 462 sowie an den bekannten VVK-Stellen.

Interview: Thomas Wessel

Coco Schumann feat. Peter Lohmeyer

Konzert zum Tag der Befreiung

Einlass 18 Uhr | VVK 15 € zzgl. Gebühren