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Fehlfarben

Monarchie und Alltag

Fehlfarben: Monarchie und Alltag 1980 (c)

Gibt Momente im Leben, die vergisst man nicht, einer davon: Wie Fehlfarben auf einen niederfuhr. Können eine Menge Menschen in diesem Land sagen, wann das bei ihnen war und wo und welches Wetter und wer dabei stand und wie die Klamotten rochen, die man an dem Tag trug. Ein Gitarrenriff, und das Lebensgefühl ist wieder da, Freie Republik Wendland und Westdeutsche Tristesse, Desirée Nosbusch und Nato-Doppelbeschluss, die tickende Gitarre setzt ein und dort ist Paul. Spex zählte das Album von 1980 unter die “100 Platten des Jahrhunderts” und listete es unter den 100 auf Platz 15, der Rolling Stone auf 61 der “500 besten Alben aller Zeiten” sowie auf Platz 1 der “50 besten deutschen Alben” usw. Um es einmal zu taxieren.

Punk. NDW. Und keine Karriere. Die Tour abgebrochen, bevor sie begann, die Band zersprengt, aber nie aufgelöst, später mal wieder zusammen gekommen, ein zwei maue Alben, sie arbeiten sich heran. Unmöglich aber, aus dem Schatten zu treten, den sie selber werfen. Unmöglich? Peter Hein 2010 im Interview mit Spiegel online:

“Für uns war Punk, nicht Punk zu sein. Die Lederjacken-Kluft war für uns nach einem halben Jahr vorbei, danach haben wir Anzüge, Jacketts und andere Sachen getragen. Wenn sich etwas durchsetzte, wollten wir gleich was anderes machen. Für mich war Schluss, als plötzlich die Leute wegen der Punkszene oder der ‘Neuen Wilden’ kamen, also dieser Verbindung von Ratinger Hof und Kunstakademie, die es damals in Düsseldorf gab. Als die Punktouristen kamen, war die interessante Zeit vorbei.”

Und jetzt? Punktouristen gibt es keine mehr, dafür Punks, und für die hieß, Punk zu bleiben, nicht Punk zu sein. Aber der Reihe nach:

Als Düsseldorf das Zentrum der deutschen Popmusik war, trafen sich in einer tristen Musikkneipe am Rande der Düsseldorfer Altstadt, dem Ratinger Hof unweit der Kunstakademie, wo Beuys sich daran machte, die Grünen zu gründen  –   dort also trafen sich alle, denen die Popmusik der Zeit zu gelackt erschien und die etwas eigenes machen wollten. Der deutsche Punk entstand, der dann die Neue Deutsche Welle nach sich zog, Deutsch Amerikanische Freundschaft ebenso wie Die Toten Hosen  –  “musikalische Herumtreiber, die neue Tonattacken suchten und gegen die Regeln der etablierten Rock- und Popmusik lossägten“, stelzte später einmal die Süddeutsche Zeitung.

Fragt man den Fehlfarben-Gitarristen Thomas Schwebel, was es mit dem Titel  –  „Monarchie und Alltag“  –  auf sich hatte, erzählt er, dass sie damals irgendwann mal einen Jahrmarkt besucht haben, wo ein Panoptikum stand, das damit warb, Köpfe aus „Monarchie und Alltag“ zur Schau zu stellen, die Gegenpole hätten ihnen gefallen. Alles passte zusammen, Schwebel:

„In den 70er Jahren war die Musik immer abgehobener geworden. Wir dachten: Mach einfach! Denk nicht so viel. Leg los. Du kannst drei Akkorde spielen, dann gründe eine Band, aber sing auf Deutsch.“

Diese unter den Düsseldorfer Musikern weit verbreitete Grundeinstellung habe auch auf die Bildende Kunst übergegriffen. Schließlich war es vom Ratinger Hof zur Düsseldorfer Kunstakademie nur ein kurzer Weg. Mach einfach und mach es nicht so kompliziert! Später hat Michael Gross diese Haltung einmal so formuliert:

„Punk zelebriert auf finale Weise den Outsider, die gerupfte Gestalt im Regen.”

In dem sie dann standen. Und nie in Vergessenheit gerieten. Ihr berühmtes Album, das den Zeitgeist verdichtet hat wie kein anderes, verkaufte sich beharrlich weiter und weiter, 5000 Stück waren geplant, dann dauerte es 21 Jahre, da gab es eine Goldene Schallplatte, die gibt es ab 250.000 Stück.

Trotz mehrfacher und jahrelanger Auftrittspausen und Phasen völliger Funkstille zwischen den weit verstreut lebenden Musikern. Als sie alle sicher sein konnten, dass es keine Punktouristen mehr gibt,  fanden sie immer wieder mal zusammen, gaben neue Alben heraus und traten gemeinsam auf, seit 2002 so viel wie nie zuvor. Was jetzt nicht so viel ist, aber: Die Punksongs von Fehlfarben sind praktisch nie im Radio gespielt worden.

Lediglich „Es geht voran“ wurde auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle kurzzeitig als Single-Auskopplung in die Radiocharts gekippt  –  und zwar vom Label, die Band wollte just diesen Song eigentlich gar nicht veröffentlicht haben. Argwohn gegenüber dessen Ballermann-Kompatibilität? Tatsächlich wurde der Song  –  “aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen”, wie sie sagen  –  zur Hymne der Hausbesetzer in der Hamburger Hafenstraße, dem Ballermann für Ballermänner, und gleichzeitig zur Hymne jeder Partykellerparty im Land, die ihrem Feierhöhepunkt entgegenlief. Furchtbare Missverständnisse.

Ganz anders ihr Megasong “Paul ist tot”, Lieblingssong auch der Band selber, eine Punkoper in 7:55, darin die genialen Zeilen:

„Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht.“

Diese Textpassage, erzählt Schwebel, habe ihnen Mitte der 80er Jahre eine DDR-Tour vermasselt. War knapp. Fehlfarben vor den Blauhemden? Sowas muss man sich erstmal vorstellen, vorher allerdings mussten sie alle Texte vorstellen und einreichen beim Bauernstaat, „und diese zwei Zeilen gingen aus Sicht der SED natürlich gar nicht.“

Bei der Gelegenheit, „Paul“ hieß der Flipper im Ratinger Hof. Und der war, heißt es, eines Tages verschwunden.

Jetzt bringen Fehlfarben, was sie früher nie gebracht haben: alle elf Lieder an einem Abend, “Monarchie und Alltag” in toto, ergänzt um einige Songs ihrer späteren Alben. Alles nicht mehr ganz so hingerotzt wie damals, etwas entspannter, der Atomkrieg ist ausgeblieben, auch Kohl ist nicht mehr Kanzler und der Fehlfarben-Sound frei, ihn neu zu hören.


FEHLFARBEN | Monarchie und Alltag

Donnerstag 11. Oktober 2018 | 20 Uhr
Einlass 19 Uhr
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