Laibach
Love is still alive
Hier erstmal der Text für alle, die Laibach kennen: Nein, die slowenischen Symbol-Jongleure sind nicht zum Gospel übergelaufen und wären, hätten sie es getan, auch nicht in die Christuskirche reingekommen. “Love is Still Alive” ist ein Song, erdacht für die Sci-Fi-Komödie “Iron Sky – The Coming Race”. Der Film – und der Song – arbeitet sich an der Apokalyptik ab: die Welt untergegangen, ein paar Menschen haben überlebt, sie entrinnen ins Universum hinein und hinüber zum Mars, dort gründen sie eine eigene Kolonie. Post-Postkolonialismus, wenn man so will, Laibach for Future.
Anfang 2021 hatten Laibach den Original Soundtrack zu diesem Film veröffentlicht, jetzt die Tour. Auf ihr werden verschiedene Variationen des Tracks “Love is Still Alive” live gespielt werden. Zuvor hatten Laibach ihre Musik für das Musical ‘Wir sind das Volk’ veröffentlicht, das auf Texten von Heiner Müller basiert, das Musical wurde im Februar 2020 im Berliner HAU uraufgeführt. Nach drei Shows war Schluss: Corona. Jetzt werden Laibach eine Auswahl von Songs auch aus diesem Musical spielen. Plus ein paar Überraschungen.
Plus ein paar Werke aus dem Repertoire einer Band, die legendär ist, weil sie einen Kunst-Gestus erschaffen hat, von dem die Contemporary Art – die brave Documenta-Kunst – nicht einmal zu träumen wagt. Gute Gelegenheit für etwas Hintergrund:
LAIBACH FOR BEGINNERS
Von HONKE RAMBOW
2015 spielte die slowenische Band LAIBACH zwei Konzerte im nordkoreanischen Pjöngjang – als erste westliche Popband überhaupt – und setzte damit ein verwirrendes Zeichen, das ihnen Beachtung in der ganzen Welt einbrachte. Selbst amerikanische Late-Night-Talker mussten sich plötzlich fragen, wo Slowenien eigentlich ist und was der bedeutendste Kultur-Export dieses winzigen Landes so treibt. Verstanden haben sie es nicht. Und das ist, was LAIBACH seit über 35 Jahren zu einer der bemerkenswertesten Pop-Phänomene überhaupt macht: das kalkulierte Mißverständnis.
Sie wurden für faschistoid gehalten, für ironisch, und selbst eingeschworene Fans glauben bis heute, sie seien eine Industrial-Band. Nichts davon ist LAIBACH. Keine Band, sondern ein Kollektiv, das immer aus vier Personen besteht, die die Namen Eber, Keller, Dachauer und Saliger tragen, egal welche Mitglieder gerade aktiv sind. LAIBACH ist die Keimzelle der Neuen Slowenischen Kunst NSK, eines Großkollektivs, das bildende Kunst, Grafikdesign, Architektur, Film und Theater macht, über eine eigene philosophische Abteilung und den virtuellen NSK-State in Time verfügt.
In den Anfangstagen spielten LAIBACH einen brachialen Industrial, doch genauso arbeiteten sie auf dem Album „Jesus Christ Superstars“ mit Heavy-Metal, widmeten sich auf „Kapital“ dem Drum’n’Bass und HipHop, komponierten mit dem Titelsong des Films „Iron Sky“ den schönsten Bond-Song seit Tina Turners „Golden Eye“ und ließen die Coverversion von „Across The Universe“ von den Beatles von einem Frauenchor einsingen.
Ihr aktuelles Album „Spectre“ von 2014 ist reiner Electropop, was viele Fans verstörte. Und für Nordkorea coverten LAIBACH Songs aus dem Musical „Sound Of Music“ von 1959, das dort Kultstatus genießt. Diese Stücke bilden auf der aktuellen Tour einen Schwerpunk, doch daneben stehen Stücke aus Edvard Griegs unvollendeter Oper “Olav Trygvasson” sowie Material ihres aktuellen Albums. Und Fans der Industrial-Phase können sich über einige Neuauflagen von Songs der Album-Klassiker „Opus Dei“ und „WAT“ freuen, die auch deshalb wieder im Live-Programm sind, weil sie auf erschreckend prophetische Weise bereits 2003 die Flüchtlingskrise vorweg nahmen.