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Marianne & Petra Rosenberg

feat. Ferenc Snétberger: Zum Tag der Befreiung

Marianne Rosenberg by CHoppe (c) ListVerlag

Seit drei Jahrzehnten steht Marianne Rosenberg für deutsche Popkultur. So bekannt ihre Lieder sind, weitgehend unbekannt ist, dass 51 Mitglieder ihrer Familie von den Nazis ermordet wurden. Ihr Vater, Otto Rosenberg, hat überlebt.

“Wir waren seit jeher deutsche Sinti.” Die Familie von Otto Rosenberg stammt aus Berlin. 1936 war der damals Neunjährige in Berlin-Marzahn ins Lager gesperrt worden, hatte die Zwangsarbeit überlebt, wurde mit 16 Jahren nach Auschwitz deportiert, hat das Vernichtungslager überlebt, dann Buchenwald, Dora, Bergen-Belsen. Nach seiner Befreiung bis zu seinem Tod 2001 kämpfte er für die Rechte der Sinti und Roma – dafür, dass sie als Verfolgte des rassistischen NS-Regimes anerkannt und ent-schädigt werden. Bis zu 500 000 Sinti und Roma sind von den Nazis ermordet worden.

Daran erinnern Marianne Rosenberg, ihre Schwester Petra Rosenberg und der Gitarrist Ferenc Snétberger am 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, ab 20 Uhr in der Christuskirche Bochum.

“Wer, wenn nicht wir?”

Lieder und Lesung zum Tag der Befreiung von Auschwitz

Das Programm dieses Abends ist in einem für die Künstler sehr persönlichen und schmerzhaften Prozess entstanden: Petra Rosenberg wird aus den Erzählungen ihres Vaters lesen und Marianne Rosenberg Auszüge ihrer Autobiographie, in denen sie das Familienleben erinnert. Und sie wird, zusammen mit dem Gitarrenvirtuosen Snétberger, einige ihre Lieder singen:

“Die Schicksale derer, die nicht überlebt haben, begleiten uns”, sagt sie, “mein Weg erschließt sich aus der Geschichte unserer Familie.”

Auf diesem Weg aber wird die Last der Erinnerung, die sich auf Kinder und Kindeskinder legt, keineswegs leichter. Petra Rosenberg, Vorsitzende des Landesverbandes der Sinti und Roma in Berlin-Brandenburg:

“Auch die zweite und dritte Generation ist von der Erfahrung geprägt, Teil einer Minderheit zu sein, die von der völligen Vernichtung bedroht war  –  und die bis heute unter Diskriminierung zu leiden hat.”

Es wird ein sehr persönlicher Abend werden, zu dem einzuladen den Rosenbergs alles andere als leicht fällt. Wir hatten sie darum gebeten, diesen schmerzhaften Schritt zu gehen: “Wer, wenn nicht Ihr, könnte berichten? Wer, wenn nicht wir, könnte hören?”

Mit diesem Abend eröffnen wir das Jahr als Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010.

Weil eine europäische Kulturstadt das Dunkel erinnern muss und daran, dass im Ruhrgebiet eine erfolgreiche Integrationsgeschichte neben einer aggressiven Ausgrenzungsgeschichte steht. Es gibt keinen “Mythos Ruhr”, der nicht auch das Entsetzen lehrt. Als Auftakt unseres Projekts KIRCHE DER KULTUREN ist der “Tag der Befreiung” offizieller Programmteil von RUHR.2010.

Es wird für diesen Abend allerdings kein Eintritt erhoben. Marianne und Petra Rosenberg haben   –  ebenso wie Ferenc Snétberger, weltweit gefeierter Gitarrist, der ua mit Bobby McFerrin zusammen arbeitet  –  jedes Honorar abgelehnt. Wer die Erinnerung an die ermordeten Sinti und Roma teilen möchte, den laden Marianne Rosenberg, Petra Rosenberg und Ferenc Snétberger herzlich ein, es genügt, wenn Sie uns eine Email schreiben an die Adresse an info@christuskirche-bochum.de, alles Weitere erfahren Sie dann von uns.

Sinti und Roma in Deutschland

www.sinti-roma-berlin.de

Bundesweit wird die Zahl der Sinti und Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit auf etwa 70.000 geschätzt. Als deutsche Sinti bezeichnet sich eine Minderheit, die seit etwa 600 Jahren in Deutschland lebt und eine eigene Kultur und Sprache besitzt. Ihre Vorfahren verließen vor etwa 1000 Jahren ihre Ursprungsheimat, die der Sprachforschung zufolge im heutigen Nordwestindien und Pakistan liegt.

Die deutschen Roma kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie im Zuge des Ersten und Zweiten Weltkrieges nach Deutschland. Roma, die in den 1960er Jahren als »Gastarbeiter« nach Deutschland kamen, besitzen teilweise ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft. Darüber hinaus leben nicht eingebürgerte Roma aus Südosteuropa in Deutschland. Die überwiegende Mehrheit dieser von der Abschiebung bedrohten Flüchtlinge erhält nur eine begrenzte oder gar keine Aufenthaltsgenehmigung.

Seit dem 15. Jahrhundert sahen sich Sinti (und später auch Roma) wechselnden negativen Einflüssen und ausgrenzenden Stereotypen ausgesetzt. In der Kaiserzeit und in der Weimarer Republik war die “Zigeunerpolitik” vorrangig auf Vertreibung ausgerichtet. Dies äußerte sich in Sonderverordnungen, die sich überwiegend gegen Gewerbetreibende richteten und in erster Linie die Zerstörung ihrer kultu-rellen Lebensformen zum Ziel hatten. Zudem begann die polizeiliche Erfassung, zum Beispiel durch die bayerische »Zigeunerpolizeistelle«, die als Teil der Vorbereitung des nationalsozialistischen Völkermordes an Sinti und Roma angesehen werden kann.

In der NS-Zeit hatten Sinti und Roma in einem für sie bisher nie gekannten Ausmaß unter Erfassung, Verfolgung und Vernichtungsaktionen der Nationalsozialisten zu leiden. Die gegen sie gerichtete Ras-senpolitik, die durch so genannte Rassenforscher wie Dr. Ritter und Eva Justin gestützt wurde, legiti-mierte nicht nur Zwangssterilisationen, sondern auch die Deportationen in die Konzentrations- und Vernichtungslager.

Die Bundesrepublik, die nach 1945 die Rechtsnachfolge des »Dritten Reiches« antrat, zeigte für die Verbrechen, die ihr politischer Vorgängerstaat an Sinti und Roma begangen hatte, jahrzehntelang kein Verantwortungsbewusstsein. Die Entrechtung der Sinti und Roma zeigte sich insbesondere in gesellschaftlicher Ausgrenzung, der Verweigerung von Entschädigung für die nationalsozialistischen Ver-brechen, durch den Versuch ihrer Ausbürgerung sowie in der Verfolgung durch die fortgesetzte poli-zeiliche Erfassung. Nicht allen Opfern des Nationalsozialismus widerfuhr Gerechtigkeit. Diese Erfahrung machten Sinti und Roma in spezieller Weise.

Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung in den späten 1970er Jahren in Deutschland machten Sinti und Roma unter anderem darauf aufmerksam, dass sie die Bezeichnung «Zigeuner« ablehnen. Dessen ungeachtet sehen sich Sinti und Roma immer noch genötigt, um die Anerkennung ihrer Eigenbezeich-nung zu kämpfen.

Petra Rosenberg
Geschäftsführende Vorsitzende des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg;

Marianne & Petra Rosenberg

feat. Ferenc Snétberger: Zum Tag der Befreiung

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