Paul Potts & Piano
The Greatest Hits
Als sei es ein Märchen von Christian Andersen: Alle sehen ein hässliches Entlein und hören einen stolzen, schönen Schwan. So war es im Sommer 2007, ein Handyverkäufer, 37 Jahre alt, tritt vor die Jury der britischen Castingshow Britain’s Got Talent, seine zerfließenden Formen beisammengehalten von Stangenware, er steht auf großer Bühne, als sei seit Stunden Sendeschluss, öffnet vage seinen Mund und atmet durch, eine Kulisse aus Krumm und Krater tut sich auf, dann singt er. Giacomo Puccini, „Nessun dorma“ aus „Turandot“, keine Sekunden dauert es, da stehen alle Münder offen, die in der Jury, im Studio, in den TV-Sesseln zuhause. Eine Stimme, stolz und schön und souverän, ein Handyverkäufer wie du und ich.
Die Geschichte ist kein Märchen schon deshalb nicht, weil sie märchenhafter ist als alles, was Christian Andersen je geschrieben hat, während Paul Potts, das walisische Stimmwunder, nie vergessen hat, wo er hergekommen ist: aus Fishponds, einem Vorort von Bristol, sein Vater Busfahrer, die Mutter Kassiererin, Paul singt in Kirchenchören, dann studiert er – – – Philosophie. Allein das hätte vor nicht langer Zeit zum Märchen gereicht, Potts aber arbeitet weiter an seiner Stimme, er hat eine Idee von dem, was er will, bei Britain‘s Got Talent gewinnt er die Herzen von Millionen. Und einen Plattenvertrag über 1 Million Pfund. Mit „One Chance“, seinem ersten Album, wird er zu einer Art Weltwunder, seine Geschichte wird von Hollywood verfilmt, er tourt um den Globus und singt, was er zu sagen hat: dass Schönheit nicht das ist, was andere in dir sehen, sondern das, was du sie sehen lässt und hören.
Klar gab es manche, die, kaum dass Potts erfolgreich war, sofort hörten, dass er kein Caruso ist und es viele Stimmen gebe, die könnten, was er kann. Genau das hat man dem Punk auch nachgesagt, seit es Punk gibt, hat es der Arbeiterliteratur nachgesagt, als es sie noch gab, der abstrakten Malerei, den Laienspielscharen und jenen Chören, in denen Paul Potts – es waren Kirchenchöre – das Singen gelernt hat. Und sicherlich ist es richtig, natürlich können auch andere, was Paul Potts kann, aber genau das ist der Punkt: dass übersehen wird, was Paul Potts der klassischen Musik zurückgegeben hat, was er ihr und uns schenkt, seine Leidenschaft. Das Vermögen, mit nichts in der Hand – kein Klavier zuhause, keine Eltern, die in Geigenunterricht investieren, keine Fördermittel-Antragsformulare, keine Stipendien, keine Netzwerke, keine Mäzene, kein befreundeter Zahnarzt, der einem einmal das Gebiss für kleines Geld begradigt hätte, keine bohemehaften Cliquen, kein ChiChi, nur ein Billiganzug für 35 Pfund, den Potts zur kultigen Fashion gemacht hat – dass man also tatsächlich mit nichts als seiner einsamen Leidenschaft zu einer großen Stimme reifen kann. Der es egal ist, ob sie so groß sei wie die von diesem oder jenem, sie ist so groß wie die von Paul Potts.
Im Ruhrgebiet versteht sich das. Schau ohne Show, Glämmer ohne Glamour, Potts im Pott. Auch an dem Sprachspiel kommt man hier nicht vorbei, es passt einfach alles. Auch aus einem weiteren Grund: Für die Christuskirche Bochum lassen wir unser eigenes Bier brauen, eine Pilsener Brauart eigener Rezeptur, abgestimmt und abgefüllt bei – – na?