Verbotene Musik
Konzert zum Tag der Befreiung
Im Januar 1933, als die Nazis ihre Triumphe feierten, machte sich Kurt Weill daran, eine Sinfonie zu komponieren. Allerdings schrieb er, während die Nazi-Kolonnen Aufmarsch hielten, einen Trauermarsch. Wenige Wochen später musste Weill aus Deutschland fliehen, seine Notenpapiere wurden verbrannt, seine Musik verboten.
Wie Kurt Weill, der seit seiner Dreigroschenoper zu den populärsten Komponisten der Zeit zählte, mussten Hunderte weiterer Künstler und Komponisten aus Nazi-Deutschland emigrieren, unter ihnen auch Arnold Schönberg, der schon seit Jahren antisemitischen Angriffen ausgesetzt war. Selbst die Werke bereits verstorbener Künstler wie Gustav Mahler wurden aus den Spielplänen gestrichen. “Weggefegt”, wie Goebbels, der Reichskulturminister, sich ausdrückte.
Kurt Weill, Arnold Schönberg, Gustav Mahler: So unterschiedlich ihre Werke sind, gemeinsam war ihnen in der Tat eine neue musikalische Sprache, das, was Schönberg die “Freiheit des Ausdrucks” nannte. Alle drei blamierten sie mit ihrer Musik, was wie Musik in Goebbels Ohren klang, “germanischen Dreiklang” und “zu Herzen gehende Melodien”.
Wenn aber Musik von Freiheit kündet und vom freien Ausdruck, gilt das den Nazis – bis heute – als “undeutsch”. Im Mai 1938 schließlich gab Goebbels den Vollzug bekannt: “Das deutsche musikalische Leben ist endgültig gesäubert.”
Als “Säuberungsaktion” haben die Nazis später auch den Mord an Millionen europäischer Bürger be-zeichnet, Komponisten wie Viktor Ullmann, Hans Krása oder Pavel Haas wurden in Auschwitz ermor-det. Nur wenige haben den Massenmord in Auschwitz überlebt, vor 60 Jahren, am 27. Januar 1945, wurden sie befreit. Am Vorabend dieses 60. Jahrestages, Mittwoch, 26. Januar, 20 h, laden die evan-gelische und katholische Kirche und die Jüdische Gemeinde gemeinsam mit OB Dr. Scholz zu einem Gedenkkonzert in die Christuskirche Bochum ein.
Ein Konzert, das die “Freiheit des Ausdrucks” am Tag der Befreiung erinnert. So etwa mit Schönbergs “Friede auf Erden”, einem tonalen Werk, geschrieben im Jahr 1907. Wie eine leise Ahnung klingen darin erste Dissonanzen an, als mache sich die reine Harmonie bereit, schon bald in eine atonale Welt zu emigrieren. 1933 emigriert Schönberg in die USA.
“Kindertotenlieder”. Quälend der Titel von Gustav Mahlers Werk, als ahne er, was Anfang des letzten Jahrhunderts schier unvorstellbar war, ein Massenmord an Kindern. Schmerzhaft intim sind Mahlers Klangfarben und wie gemessen am Unmaß der Trauer, für das der Name Auschwitz steht. Der Klage ihre Stimme zu geben, reist Edna Prochnik eigens aus Israel an.
Schließlich die 2. Sinfonie von Kurt Weill, geschrieben im Angesicht des aufhaltsamen Aufstiegs der Nazi-Barbarei. “Drei Nacht-Szenen” hat Weill sein Werk genannt, als gäbe es keinen Morgen mehr. Doch vorsichtig klingt die Hoffnung an zum Ende des dritten Satzes, dass es ein Ende haben werde mit dem Dritten Reich.
Das Konzert mit der Altistin Edna Prochnik aus Tel Aviv und 40 Mitgliedern der Bochumer Symphoni-ker unter Leitung von Arno Hartmann wird als szenischer Dialog geführt mit Lesungen von OB Dr. Ottilie Scholz, der Schirmherrin des Konzerts, von Superintendent Fred Sobiech, Propst Hermann-Josef Bittern sowie dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Gregorij Rabinovich.