„Moskauer Hunde“
Herrchen-, aber nicht gedankenlos: Max Uthoff am 7. Mai bei uns
Wer sich die 2014er Ausgaben von „Die Anstalt“ besieht, dem ZDF-Kabarett mit Max Uthoff und Claus von Wagner, kann sich minütlich entgeistern. So putinfromm ist heute nur der Weihrauch, den Kyrill verschwenkt, der Patriarch von Moskau ist Putins bester Hund am Hof. Für ihr Frömmeln haben Uthoff und von Wagner sich jetzt zur Anzeige gebracht, sie nehmen sich selber ins Verhör, das hat Format.
Der Titel von Uthoffs Solo-Programm – „Moskauer Hunde“ – stammt aus einer Zeit, in der es alle Welt – abgesehen von der Ukraine, von Polen, Tschechien und Slowenien, den baltischen Staaten, Moldawien und Rumänien, Aserbaidschan und Georgien und … – in der es die halbe Welt für ausgeschlossen hielt, dass Putin jemals zum Überfall blasen würde. Damals erklärte Max Uthoff, der demokratische Aufstand auf dem Maidan – die „Revolution der Würde“ – werde direkt vom US-Imperialismus gesteuert. Eingeblendet das Foto einer Dame mit einer Plastiktüte voller Schrippen:
„Gucken Sie sich das an, die Amerikaner als Brötchengeber der ukrainischen Revolution …“
Ein Witz? Die Dame mit der Tüte sei die US-amerikanische Vize-Außenministerin, so Uthoff, die „deutschen Medien“ würden gar nicht mitkriegen, „wer wirklich auf dem Maidan geschossen hat“. Das war 2014, nachdem mehr als hundert Menschen bei den Protesten ums Leben gekommen waren (nachzulesen beim ZDF), es war, nachdem Putin 150 000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen hatte und war 10 Tage, bevor er die Krim offiziell annektierte …
Und sind acht Jahre, bevor Uthoff und Wagner zu einer Sonderausgabe der „Anstalt“ laden. Zwei Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine spielen sie jetzt die Möglichkeiten durch, die hat, wer sich als Putin-Versteher erklären will. Von Witzen für 50 € das Stück über wohlige Floskeln („Ist eine Frage der Bedrohungswahrnehmung“) hinüber zu ersten Einsichten (man habe „unterschätzt, wie attraktiv die Nato für Außenstehende ist“) bis hin zur Rede an die russische Opposition, die keine ist, weil sie keine Begriffe mehr findet. Am Ende verstummen beide, Lena Liebkind sagt, was gesagt werden muss.
Lehrreich an dieser “Anstalt”: der Versuch, überhaupt einen Ton zu finden dafür, dass man drastisch daneben gelegen hat. Einen öffentlichen Ton, in dem sich nicht entschuldigen, sondern reflektieren lässt, wie fatal falsch geworden ist, was eben noch erfolgreich lief: „Die Anstalt“ 2014 ist eine Kabarett-Variante von Nord Stream 2, Kabarett ist das Metier des Uneigentlichen, die Arbeit des Als-Ob. Und ausgerechnet hier, wo gilt, dass alles, was eine Bühnenfigur sagt, nur deshalb gilt, weil es nicht gelten könnte, ausgerechnet diese konstitutiv unverbindliche Rede bringt eine Verbindlichkeit hervor, wie man sie in der putin-konformen Politik nicht hören konnte bisher.
Beispiel Lars Klingbeil, Anfang April sitzt der jetzige SPD-Vorsitzende in der Talkshow von Anne Will und erklärt (ca 35:95): „Die Kritik, dass man über Jahre etwas falsch gemacht hat im Bereich Russland, die nehme ich an, aber…“ – es geht bruchlos weiter – „aber ab dem 24. Februar, ab dem Moment, wo dieser Krieg ausgebrochen ist, erleben wir eine Bundesregierung, die …”
Da ist keinerlei Irritation zu hören darüber, dass „man“ „etwas“ „über Jahre“ „falsch“ gemacht habe, alles ist – die Beine entspannt übereinander geschlagen, die Hände umformen einen Mittvierziger-Bauch – aufs Weitermachen geeicht.
Ähnlich in sich ruhend Christoph Heusgen, über lange Jahre außenpolitischer Berater von Angela Merkel, Vorsitzender der Münchener Sicherheitskonferenz. Das offenbare Scheitern seiner Diplomatie erklärte er Anfang April im ZDF mit Corona, dem Allesentschulder: Man habe „immer versucht, Russland einzuhegen“ und habe dies gerade nach 2014 „in harten Verhandlungen“ betrieben, so Heusgen. Dass Putin die Ukraine überfalle, habe er selber noch vier Tage vor dem Überfall für unmöglich gehalten, dies habe, bedeutet Heusgen, „damit zu tun, dass Putin in den letzten zwei Jahren isoliert war, er hat nicht mehr mit der Außenwelt gesprochen …“
Völlig ungerührt, wie der Chefdiplomat erläutert, dass es kein Telefon gebe und kein Skype, kein Zoom und keinen Draht zu Putin. In DIE ZEIT hat Christian Bangel solche Weisen, sich von den Ergebnissen der eigenen Politik nicht erschüttern zu lassen, eine „Kultur der nachträglichen Teilzerknirschung“ genannt, sie ziehe sich „bis ganz nach oben”. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), fordert inzwischen eine Enquete-Kommission: “Das müssen wir aufarbeiten“ sagte Roth heute (11. April) der SÜDDEUTSCHEN, “wir müssen uns fragen, wieso wir so viele Putin-Versteher hatten.“
Hundeleinen-Test
Das haben sich Uthoff und von Wagner bereits gefragt und sich zuletzt vor eine Art Kabarettisten-Tribunal gebracht. „Investigatives Kabarett“ hat man ihre Bühnenkunst einmal genannt, jetzt investigieren sie sich selbst: Wo es DIE GRÜNEN sind, Pazifisten seit jeher, die schwere Waffen für die Ukraine fordern, dieweil die politische Linke zaudert, denkt Uthoff über „Moskauer Hunde“ nach. Mit Leine und ohne.
Eine Zerreißprobe, der Zerriss geht quer durch einen selbst, unabhängig davon, ob man politisch d’accord geht mit Max Uthoff oder nicht. Ende März hat Uthoff den bereits in seinem Titel höchst zwiespältigen „Der Appell“ unterschrieben – zu einem Appell gerufen werden Militärs, keine Zivilisten – und hat ein „Nein zum Krieg“ gefordert, als sei, was Putin führe, genauso „Krieg“ wie das, was die Ukrainer tun, um sich dagegen zu verteidigen. Im 3Sat-Kabarett „Happy Hour“ erklärte er kürzlich, Putin werde zum Zellengenossen von Tony Blair und George W. Bush, die seien „genauso verlogen und skrupellos wie er“.
Da blickt einen noch einer an, der tut, als überblicke er das Weltgeschehen wie Gott beim Jüngsten Gericht, dann aber dies:
„Ich empfinde nichts als Hochachtung für die Tapferkeit der ukrainischen Bevölkerung. Und auch ich weiß häufig nicht wohin mit meiner Empörung, wenn ich Bilder von Menschen in Luftschutzkellern sehe. Und trotzdem – ich lasse mir von dem Wichser aus dem Kreml nicht meinen Pazifismus nehmen …“
Es geht um diesen Trotz. Sobald der Krieg vorbei ist, werden wir ihn brauchen.
7. Mai – 20:00 Uhr
Max Uthoff: Moskauer Hunde
Der Abend wurde wegen Pandemie vom 20. März / 5. November 2021 auf den 7. Mai 2022 Termin verlegt. Tickets bleiben gültig.
Einlass 19 Uhr | VVK 25,00 € zzgl. Gebühren | Tickets direkt bei uns (hier klicken) und in allen besseren VVK-Stellen bundesweit
FOTO: Wladimir Putin im März 2013 by www.kremlin.ru, oficial website of the President of the Russian Federation CC BY 4.0