„Ho Chi Kaka Ho Co-Co“
The Sweet? The Sweet! Am 7. November
Glam-Rock, Bubblegum-Pop, Hits ohne Ende: Die Briten waren Superstars, aber keine Retorten-Band, sie haben ihr Handwerk live erlernt und sich inszeniert, als seien sie sich ein halbes Jahrhundert voraus: Mascara und Kajal, Glitzerhöschen und Glamour, Pailletten und Plateau, The Sweet traten in den 70ern auf wie der Topact einer Queer-Pride-Party von heute. Eine fröhliche Lässigkeit im Umgang mit Gender, Sex und Outfit, sie brüllten niemandem an: „Du musst“, sie spielten allen vor: „Du kannst“. Was? Den aufrechten Tanz lernen, so ein Plateau ragt 10 cm hoch auf.
In einem Interview, finde es nicht mehr im Netz, hat Andy Scott, Gitarrist der Band und ihr letztes Original, vor einiger Zeit erzählt, wie sie anfangs in Stöckelschuhen aufgetreten sind und wie schwierig es für sie war, solche Schuhe in fälliger Große aufzutreiben. Bis sie auf einen Schuhmacher trafen, der den Plateau-Schuh für sie erfand, den Stöckelschuh des Glam-Rocks, die beide rasant Karriere machten.
Vielleicht waren TRex eher oder David Bowie, vielleicht nicht, in jedem Fall waren The Sweet mit ihrem Style den Loveparades der 90er weit voraus und werden auf den Queer-Pride-Partys heute von einer Generation zitiert, die von The Sweet noch nie gehört haben dürfte und nie einen ihrer Songs. Muss auch nicht, solche Abschleppseile , an denen sich Popkultur durch die Geschichte zieht, sind eher unsichtbar – für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat Andreas Bernard neulich so eine Linie gezogen vom US-Punk der späten 80er, der war kompromisslos hart und schnell, hinüber zum „achtsamen Umgang mit der eigenen Gesundheit“, Zitat: „An einem Frühstückstisch morgens nach einem Fugazi-Konzert war schon 1988 kein tierisches Produkt zu finden. Plastikmüll wurde vermieden.“
Punk und Birkenstock, The Sweet und Plateau. Interessant an solchen Assoziationen über Accessoires ist eigentlich nicht, was alles sich ähnelt und anbandeln kann, sondern was anders ist, wenn es sich gleicht: Der Sweet-Style der 70er war, so wirkt es im Rückblick, ein ironisches Spiel mit Identitäten, mit pop-kulturellen und pop-politischen: Eben noch haben sie „Ho-Ho-Ho-Chi-Minh“ skandiert auf den Hauptstraßen der Republik, jetzt singen sie selig „Ho Chi kaka Ho Co-Co“ in den Partykellern derselben Republik. Partykeller als der wahre Underground, The Sweet waren schon ziemlich cool. Im Grunde haben sie Karl Marx besser kapiert als all die marxistisch-leninistisch-maoistisch-anarchistisch-sozialistischen Versteh-Verbünde, die sich zeitgleich zu The Sweet zusammengefunden haben, im Grunde war Karl Marx ein Poptheoretiker, er wusste, „man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen“ – Ho Chi kaka Ho – „ihre eigne Melodie vorsingt“.
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