Say Yes, say PiaNo!

Kai Schumacher ist urban urtyp #80

Oeser Grand piano (Detail), Wien 1877 by (c) key instruments cc 4.0

Einen Mythos entmystifizieren? Passiert alle Tage. Immer dann, „wenn du mal gar nicht weiter weißt“ – schrieb Kurt Tucholsky vor fast einem Jahrhundert – “dann sag ‚Mythos‘“. Kai Schumacher sagt sowas nicht und würde es im Leben nie sagen, er schiebt den Hocker an den Mythos ran, klappt den Deckel auf und beginnt. Hier eine Taste, die ist weiß, da noch eine, dort eine schwarze, hören, was passiert. Mystisch? Unerklärlich.

Der Pianist – ist einer der Großen im Lande, wenn “Six Pianos” gespielt werden, Steve Reichs Meisterstück, ist Kai einer der Six – kommt aus Duisburg, in Essen hat er an der Folkwang studiert, es sind Orte, an denen Mythos ein anderes Wort ist für Abstich. Doppelbock vor orangerotem Horizont, Kühe, die vorm Stahlwerk grasen, Kohlebahngleise, die sich im Nichts verlaufen, solche Sachen. Kais Art, Klavier zu spielen  –  und das Klavier ist ja nun der Mythos des Bürgertums schlechthin, eine Sammelbüchse für Sehnsüchte, die ohne Doppelbock auskommen und ohne Kohlebahngleise  –  Kais Art, mit diesem Instrument zu hantieren, ist hörbar anders:

„Punk-Pianist“ sei er, heißt es von ihm, „Bad Boy of Classic“, die Urteile sausen wie eine Bramme auf ihn hernieder, sie sind Quatsch, er zertrümmert ihn nicht, den Flügel, und er zündet ihn nicht an, er interessiert sich einfach dafür, was alles verborgen ist in diesem hölzern-stählernen Kasten. Und? Es ist alles bereitet, Punk ist da und Pop und Minimal Art, Dadaismus und Duisburg, Dancefloor und Kinderlied, Avantgarde und Atari Teenage Riot. An der einen Rundung des Flügels steht Franz Schubert im Raum, an der anderen Kurt Cobain, man assoziiert ohne Ende und unangestrengt, wenn man ihm zuhört, Kai Schumacher spielt Solopiano.

Ohne jeden elektronischen Bombast. Für ihn ist dieses Instrument keine Prothese und nicht dazu da, die eigene Genialität heraus zu stellen, das Geniale bei ihm ist, dass er aus diesem 300-Kilo-Kasten alles Mögliche hervorholt, von dem man sich, sobald man es hört, völlig sicher ist, dass man es kennt, nur noch nie jemals gehört hat.

Mystisch? Meinetwegen. Unterhaltsam? Wie nichts sonst. Kai Schumacher spielt am 8. Januar in unserer Indie-Reihe urban urtyp, alle Infos und Tickets hier.