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Konstantin Wecker

Die Lieder meines Lebens

Konstantin Wecker, München 2019 (c) Thomas Karsten

“Konstantin” ist wörtlich der Beständige, “Wecker” kommt vom mhd. wekken, also beginnen, Konstantin Wecker ist der beständige Beginner. Ist Liedermacher, Komponist und Poet, ist Schauspieler und Autor und, ja, eine Institution. Stimme einer Generation zu einer Zeit, als Generationen noch keine Stimme hatten und keinen einzigen Buchstaben trugen, allenfalls zwei Zahlen: 69er Abitur in München, nach frühem Unterricht in Klavier, dann Gitarre, dann Geige plus Kinderchor. Anschließend Studium der Philosophie und Psychologie ebd. 1971 Gründungsmitglied der Rock-Soul-Gruppe Zauberberg, lange Jahre schlägt er sich durch u.a. als Schauspieler in schrägen TV-Filmen. Schreibt Songs, schreibt Theaterstücke, erste Alben, dann fortlaufend weitere, 1977 erscheint “Willy”:

“Ogfanga hat des ja alles 68 …”

Die folgenden Jahrzehnte: atemlose Kreativität, vielfach ausgezeichnet, vielspurig unterwegs, Theater, Film, Buch. Und Musik, das Liedermachen ist das Beständige, rund 600 Songs bis heute, er stand mit Joan Baez auf der Bühne. Und spielte in der DDR, gab dort Kirchenkonzerte zu einer Zeit, als alle Welt gewiss war, dass die Revolution mit der DDR Staat und dieser Staat ewig geworden sei. 1991 schreibt er “Willy” weiter, Amadeu Antonio war erschlagen worden, das erste Todesopfer eines Rassismus, der im neuen Deutschland um sich greift:

“Und heut’ fangt es alles wieder an … Kannst dich noch erinnern an dieses Gedicht vom Pfarrer Niemöller …?”

Wecker ist der, der mit dem Herzen denkt. Ein linksgrünversiffter Altachtundsechziger. Sagt er über sich. Gott sei Dank, dass es sie gab, freuen wir uns, dass es sie gibt. Weil sie nicht nur über sich und ihre Erfolge erzählen, sondern auch ihre Torheiten reflektieren. Eine Kunst, die rar geworden ist und umso mehr Kunst. Hier ein langes Interview, dass Michael Backmund mit ihm über sein aktuelles Programm geführt hat, Backmund ist Journalist, Autor und Filmemacher in München:

Die Lieder meines Lebens

Ein Gespräch von Michael Backmund mit Konstantin Wecker

Was erwartet die Konzertbesucher*innen auf deiner neuen Tour „Die Lieder meines Lebens“ 2024?

Ich habe ganz bewusst ein kammermusikalisches Programm für diese Tour arrangiert. Als Duo mit Jo Barnikel und als Trio mit Jo Barnikel und Fanny Kammerlander. Ich werde Lieder auswählen aus über fünf Jahrzenten meines poetischen und musikalischen Schaffens. Das Programm wird also zeitlich von den Anfängen meines Lebens als Musiker und Komponist bis heute reichen.

Auf was dürfen sich deine Fans ganz besonders freuen?

Ich werde neben den Liedern auch sehr persönlich aus meinem Leben erzählen und natürlich auch von meinen vielen Torheiten. Ich erzähle also auch Geschichten zu den Liedern. Und ich werde diese Geschichten zu den Liedern meines Lebens aus der Sicht des Alters erzählen. Denn meine Gedichte waren ja schon immer klüger als ich und zum Glück bin ich in meiner Poesie immer mehr dem Zerbrechlichen in mir gefolgt und nicht meinem Ego. Da darf zum Beispiel ein Lied wie „Manchmal weine ich sehr“ nicht fehlen.

Fangen wir mal ganz von vorne an: Was waren deine ersten Lieder, die Du überhaupt bewusst gehört hast? An welche kannst du dich noch erinnern?

Das waren eindeutig Schubert-Lieder. Dazu kamen Mozart und die italienische Oper. Die Frauenstimmen der Arien von Verdi und Puccini durfte ich mit meinem knabenhaften Sopran schon bald gemeinsam mit meinem Vater, einem ausgebildeten Opernsänger, singen. Aber eines der ersten Lieder, die ich gesungen habe, war das „Heideröschen“ von Schubert: „Sah ein Knab`ein Röslein steh, Röslein auf der Heiden“. Es gibt davon auch noch sehr frühe  Aufnahmen als jugendlicher Sopran, von denen ich sicherlich eines für das neue Programm auswählen werde, ich kann ja nicht immer die Traviata spielen auf meinen Konzerten. Zum Beispiel das „Heideröslein“ von Franz Schubert, seine Vertonung des Gedichtes von Johann-Wolfgang von Goethe.

Wo sind diese Aufnahmen entstanden?

Das sind Aufnahmen, die ich im Wilhelmsgymnasium gemacht habe zusammen mit meinem Musiklehrer, der mich damals am Klavier begleitet hat. Herr Bissinger hat mich sehr gefördert als Sänger, als Knabensänger. Ich war ihm wirklich sehr zugewandt. Leider wurde er viel zu wenig gewürdigt, obgleich er wirklich die Liebe zur Musik gelebt hat. Es gibt eine sehr rührende Geschichte über meinen Musiklehrer Bissinger: Der berühmte Opernsänger Jonas Kaufmann kam einmal auf mich zu und sagte zu mir: Er kennt mich schon vom Bissinger, weil der Bissinger, als Jonas Kaufmann Musikunterricht am Wilhelmsgymnasium gehabt hat, immer noch Lieder von mir gespielt hat und davor stets zu seinen Schüler*innen gesagt hat: „Und jetzt möchte ich Euch eine Aufnahme eines ehemaligen Schülers vorstellen“, und da hat er ihnen dann das „Heideröslein“ von mir gespielt. Die Erzählung hat mich sehr berührt. Leider gab es keine Begegnung mehr mit meinem Musiklehrer Siegfried Bissinger.

Wann hast du begonnen, selbst Lieder zu komponieren?

Ich habe als 13-Jähriger dann schon Gedichte von Mörike und Eichendorff vertont. Da gibt es sogar noch sehr frühe Noten, zum Beispiel von dem Mörike-Gedicht „Frühling lässt sein blaues Band flattern durch die Lüfte“. Also die Gedichte von Eduard Friedrich Mörike und Joseph von Eichendorff habe ich vertont als Pubertierender noch. Da war mir schon klar, dass ich eigentlich Komponist werden will. Aber ich kam noch nicht auf die Idee, meine eigenen Gedichte zu vertonen. Ich würde mal sagen, den Hauptanstoß dafür hat dann doch der Degenhardt gegeben.

Warum Franz Josef Degenhard?

Weil ich ihn und seine wunderbaren Lieder einfach zuerst gehört habe.

Kannst du Dich erinnern, welches Lied Du von ihm als erstes gehört hast?

Natürlich „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“: Das war 1965 und ich war gerade mal 18 Jahre alt. Nach „Rumpelstilzchen“ war das sein zweites Album. Und das Lied ist bis heute ein großartiges antiautoritäres Lied, ein echter Anti-Struwwelpeter, das mit dessen ganzer schwarzen deutsch-reaktionären Pädagogik abrechnet. Also der Degenhard war ein aller erster Anstoß für mich, meine eigenen Gedichte zu vertonen. Und dann natürlich der großartige Georg Kreissler. Denn: Bis dahin habe ich zwar  schon eigene Lieder zur Gitarre gespielt, weil ich ja bis dahin dachte, dass man als Liedermacher Gitarre spielen muss. Durch Georg Kreissler kam ich dann darauf, dass man es eigentlich auch am Klavier machen kann. Kreissler war unglaublich gut, ich habe ihn dann noch oft gesehen und gehört und habe ihn auch persönlich kennenlernen dürfen. Ein paar Jahre vor seinem Tod durfte ich eine Laudatio auf ihn halten im Münchner Lustspielhaus, wo er vom Bayerischen Rundfunk einen Preis bekommen hat. In meiner Laudatio habe ich Georg Kreissler als „großen Liebenden“ bezeichnet und nicht als „Grantler“, als der er bekannt war. Er hat dann noch zu seinen Lebzeiten bestimmt, dass meine Laudatio bei seinem Begräbnis am Grab gelesen  wird. Das hat mich sehr gefreut und stolz gemacht. Denn er wurde eigentlich immer nur als „Spötter“ und klar als genialer Kabarettist bezeichnet. Neben seiner Würdigung als „Großen Liebenden“ ging ich in der Laudatio vor allem auch auf seine Arbeit als Komponist ein, die oft vergessen wird: Kreissler war einfach auch ein toller Komponist. Und es ja auch oft so, dass gerade die Menschen, die mit den Zuständen auf der Welt hadern, tief im Herzen vor allem Liebende sind.

Wie kam es dann zu deinem aller ersten legendären Album mit dem Titel „Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Wecker“?

Das ist eine sehr kuriose Geschichte: Ich habe damals als sehr junger Typ in München als Studiomusiker gespielt, als Pianist. Da habe ich mir Geld dazu verdient. Und dort im Studio lernte ich dann den Walter Fitz und den Fred Bertelmann kennen. Walter Fitz war Schlagersänger, Komponist, Produzent und ein bayerischer Volksschauspieler. Bekannt geworden ist er übrigens als Darsteller von Franz Josef Strauß beim alljährlichen Starkbieranstich auf dem Nockherberg in München. Er hat aber auch im „Tatort“ oder in den Serien „Zur Freiheit“ und „Löwengrube“ mitgespielt. Auch der Fred war Schlager- und Opernsänger und Schauspieler. Eines Tages sind wir drei zusammengesessen und dann haben sie mir erzählt, dass sie etwas ganz Verwegenes machen wollen: Sie wollten anonym Kassetten herausbringen mit „erotischen Sachen“. Sie haben mich dann gefragt, ob ich Lust hätte, dafür etwas zu schreiben, denn sie wussten, dass ich schon ein paar Lieder selbst geschrieben hatte. Ich habe dann gesagt, „Okay, wenn sich damit Geld verdienen lässt, dann machen wir das“. Das war damals auch die Zeit der Softpornos und sie wollten einen erotischen Vertrieb machen, nicht offiziell, sondern anonym oder wie auch immer. Ich habe mich also hingesetzt und wollte erotische Lieder schreiben. Und dann passierte mir etwas, und das war richtungsweisend für mein ganzes weitere Leben: Es kamen einfach tolle Gedichte aus mir raus. Auch da ist mir die Poesie passiert. Ich bin also dem Auftrag nicht treu gewesen, sondern ich habe den beiden dann gesagt: „Passt mal auf, also erotische Lieder für einen erotischen Versand, das ist wahrscheinlich nichts. Aber ich habe Lieder geschrieben und ich spiele sie euch mal vor.“ Dann waren die beiden so geplättet und haben gesagt: „Klar, keine erotische Kassette, kein erotischer Versand. Aber wir machen eine Schallplatte mit Dir!“ Mein erstes eigenes Album habe ich den beiden zu verdanken und so kamen meine „Sadopoetischen Gesänge“ heraus. Ich glaube das „sado“ war vielleicht noch ein bisschen dem erotischen Versand geschuldet, weil eigentlich waren es poetische Gesänge. Das war dann meine erste Schallplatte. Da ging mir einfach die Poesie durch und ich musste den ursprünglichen Auftrag zurückweisen. Dass die beiden trotzdem ein Album mit mir gemacht haben, dafür bin ich ihnen ewig dankbar. Und so haben wir die Platte gemacht. Ich glaube, 3000 Menschen haben diese Platte damals gekauft, immerhin 3000! Und ich glaube, 2999 davon waren Schwule. Ich war auf jeden Fall durch dieses erste Album unglaublich beliebt und angesehen in Schwulenkreisen und viele gehörten zu meinem ersten Publikum. Dazu muss man wissen: Damals war Homosexualität ja noch verboten. Ich habe mich auf jeden Fall immer schon sehr offen und solidarisch für die Rechte von Homosexuellen eingesetzt und dazu geäußert.

Das kommt ja auch in deiner Verehrung für Pier Paolo Pasolini und deinem berührenden Text nach seiner Ermordung zum Ausdruck.

Natürlich, in den Zeilen „ich wäre doch so zärtlich gewesen zu dir“.

Kannst du dich noch an dein allererstes eigenes Gedicht erinnern?

Das weiß ich nicht mehr. Also angefangen, selbst Gedichte zu schreiben, habe ich so mit 12 oder 13 Jahren. Aber wann ich angefangen habe, sie zu vertonen? Ich glaube, eines der ersten Lieder war der „Maxl Bauer“, das Lied „Ein richtiger Mann“ mit der Zeile „Es war ein Mann, ein richtiger Mann“. Das war eine Verarschung auf Männlichkeit und am Ende des Liedes habe ich gesungen: „Der Beckenbauer, ja, der kann.“

Kannst du dich noch an deine ersten Auftritte erinnern?

Das war in einer verpönten „Schwulenbar“ in der Herrenstraße in München, unweit von der Wohnung meiner Eltern im Lehel, wo ich aufgewachsen bin. Offiziell war es natürlich keine „Schwulenbar“. Und dort begleitete ich die Sängerin „Michaela“ am Klavier bei ihren Friedrich- Holländer-Songs. Sie hat Lieder der 1920er und frühen 1930er Jahre gesungen und, interessanter Weise, natürlich auch aus der Räterepublik. Und ich glaube, die Bar gehörte ihr sogar, die Bar hieß „Zur Michaela“ in der Herrenstraße. Aber aus welchem Grund genau sie mich als Pianisten gehabt hat, das weiß ich nicht mehr genau, aber diese Erfahrungen haben mich unglaublich inspiriert. Und mein allererster Auftritt mit meinen eigenen Liedern war dann bei dieser Michaela in der Bar.

Wie alt warst du da als Pianist?

Nach meiner ersten Knastzeit. Also so mit 20 Jahren. Und dann kam die Zeit der legendären Musikkneipe „Song Parnass“ in der Einsteinstraße. Das war die angesagte Musikkneipe der 1970er Jahre in München. Damals war die Zeit, als in ganz Deutschland die Kleinkunstbühnen und Kleinkunstkneipen aus dem Boden sprießten, auch in München. Und dort durften und konnten „Kleinkünstler“ singen und auftreten. Damals war der Hannes Wader schon ein Star, also unter uns und der Reinhard Mey war auch schon bekannt, ich war da noch völlig unbekannt. Und ich sang da meine drei Lieder am Abend für zwei halbe Bier. Das waren dann schon die Lieder von den „Sadopoetischen Gesängen“. Übrigens hat die Kleinkunstbühne „Song Parnass“ bis 1980 am Ort des heutigen Unionsbräu existiert.

Wie viele Lieder hast du bis heute geschrieben?

Über 600 müssten es jetzt sein.

Wie gehst Du bei der Vorbereitung der neuen Tour „Die Lieder meines Lebens“ vor. Du musst ja eine schwere Auswahl treffen?

Ich werde chronologisch starten und vorgehen. Dabei werde ich versuchen, aus meiner heutigen Sicht die Highlights, also die poetischen Highlights, nicht die berühmtesten Lieder, sondern meine persönlichen poetische Highlights auszuwählen und zu spielen. Dazu muss man wissen: Jetzt im Alter spüre ich umso deutlicher, mit welcher Gabe ich beschenkt war, auch schon als junger Mann Zeilen zu schreiben, die mir weit voraus waren und die ich auch genauso gut heute schreiben könnte. Das ist schon unfassbar. Mir fällt das nun im Alter immer mehr auf.

Was bedeuten Dir deine Lieder heute mit 76 Jahren nach einem halben Jahrhundert?

Eigentlich ist das genau dieser Gedanke. Ich habe ja in meinem Lied, meinem Gedicht „Liebes Leben, fang mich ein“ geschrieben, „kann doch, was ich bin, nur sein, wenn ich es auch werde“. Das Lied ist jetzt auch 40 Jahre alt. Ich möchte das, was ich immer schon in meiner Poesie war, aber von dem ich mit meinem Ego und mit meiner Ratio meilenweit entfernt war, das möchte ich eigentlich jetzt auch endlich werden. Ich möchte es irgendwann sein, nicht nur schreiben.

Der rote Faden des Konzertabends besteht also darin, die poetischen Highlights, die dich auch aus heutiger Sicht ganz persönlich besonders berühren, auszuwählen. Nicht unbedingt die berühmtesten Lieder. Und dein aktuelles Motto besteht darin, das, was du in der Poesie geschrieben hast und dort schon immer warst, „irgendwann auch selbst zu sein“.

Ja genau!

Welche Lieder werden deine Besucher*innen hören können?

Auf jeden Fall etwas von den Sadopoetischen Gesängen, die ich lange nicht mehr gespielt habe. Ich werde davon auf jeden Fall das Lied „Die Irren“ spielen, es ist das zeitloseste von den Gesängen. Zu den „Liedern meines Lebens“ gehört aber natürlich auch der „Willy“, und zwar der Original-Willy von 1977. Und ich muss ja leider sagen, dass er immer noch und wieder in sehr furchtbarer Weise schrecklich aktuell ist. Das ist eigentlich traurig, dass wir immer noch, und heute wieder verstärkt, gegen Faschismus aktiv sein müssen. Klar werde ich auch „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ spielen. Und ich werde versuchen, von meinem vielen Langspielplatten auf jeden Fall jeweils ein Lied auszuwählen. Sicherlich zum Beispiel eines aus dem Album „Liebensflug“, „Wut und Zärtlichkeit“ oder ein Lied wie „Du, ich liege immer am Strand“. Klar, bei einem solchen Rückblick dürfen einige berühmte Klassiker, wie oben erwähnt, nicht fehlen, aber es wird auch viele Überraschungen geben, also unbekanntere oder selbst von mir vergessene Lieder.

Es ist sehr spannend und auffallend, dass du dich mit einem Thema, mit dem du dich im Alter sehr intensiv beschäftigst wie dem Patriarchat und seiner toxischen Männlichkeit, bereits als 18-Jähriger in einem Liedtext auseinandergesetzt hast. Sehr unüblich, oder?

Ja.

Offensichtlich haben dich bereits sehr früh Dinge und Fragen beschäftigt, die vielleicht danach für lange Zeit wieder verschüttet waren, aber die dich heute wieder beschäftigen.

Der Maxl Bauer war natürlich eine fiktive Figur. Im Konzert wird er eher eine Geschichte. Interessant ist dabei ja auch, dass ich dieses Lied noch zu einer Zeit später gesungen habe, als ich selbst diese absurde Männlichkeit optisch total verkörpert habe. Was auch wieder beweist, dass meine Lieder schon immer klüger waren als ich. Ich sage es ja heute sehr häufig zu meinem Publikum, dass ich ein gnadenloser Macho war, weil ich einer Machogeneration entstammt bin. Und, wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann haben wir männlichen 1968er den Feminismus zwar irgendwann zugelassen, aber ausschließlich aus intellektuellen und rationalen Gründen. Wir hatten den Feminismus aber noch nicht verinnerlicht. Wir waren einfach noch eine Machogeneration. Das war einfach so. Aber in meinen Liedern war ich eben nie so. In meinen Liedern habe ich meine Zerbrechlichkeit, meine Verwundbarkeit immer zugelassen. Und Gott sei Dank bin ich immer meinen Liedern gefolgt und nicht meinem Ego – wenigstens in der Kunst. Im Leben leider nicht immer unbedingt. Damals kamen häufig Frauen zu mir – das fällt mir jetzt erst wieder ein – und haben mich angeschaut und zu mir gesagt: „Und Du willst diese Lieder geschrieben haben? Das glaube ich nicht!“ Ich war optisch einfach so unglaublich anders. Gott sei Dank, haben Frauen wie Margarethe von Trotta oder Joan Baez nicht mein Äußeres, sondern mein Innerstes gesehen. Und selbstverständlich wird meine lebenslange Beschäftigung mit der Anarchie und dem Traum einer herrschaftsfreien Welt auch eine große Rolle auf diesen Konzerten spielen. Beide haben ja auch so manchen Einfluss auf meine Arbeit als Komponist und Musiker gehabt. Nicht umsonst habe ich einige Gedichte des von mir als Literaten und politischen Denker hoch geschätzten Erich Mühsam vertont oder Lieder geschrieben wie „Die Anarchie“ oder erst kürzlich „Utopia“, die ich auch spielen werde. Das Anarchische und das  Politische in meinem Leben werden sich auch durch den Abend ziehen. Und natürlich auch mein lebenslanger Einsatz gegen Faschismus und Antisemitismus und für den Pazifismus. Fehlen wird auch die Liebe und die Autonomie nicht, denn sie sind für uns Künstler*innen so unendlich überlebenswichtig, um niemals einer Ideologie zu verfallen. So bleibe ich stets meiner Poesie und meinen Träumen treu und freue mich auf alle Besucher*innen, die diese Lieder meines Lebens mit mir teilen wollen.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

 

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