Nicole
"Carpe Diem"
Als der Song Contest noch seinen bezaubernden Namen trug, einen, der eher geflüstert wurde als gesprochen – Grand Prix Eurovision de la Chanson – , da hat sie ihn gewonnen. „Ein bisschen Frieden“, ihr Lied, ihren Chanson, kennt jedermensch, der in einer Familie aufgewachsen ist und keiner Militärkapelle. Damals, 1982, war Nicole 17, ihre weiße Gitarre so echt wie ihr wallendes Haar und ihr Lied so weit weg von dem, was damals weit vorne war – Neue Deutsche Welle, Ideal, DAF, Markus’ “Ich will Spaß”! – , dass Nicole beinahe selber punkig wirkte, wie sie so dasaß und davon sang, was sie sich wünschte. Kürzlich ist sie 60 geworden, und allein dies muss ihr erst mal jemand nachmachen: sich so durchzubeißen durch einen Betrieb, der nicht besonders gnädig ist mit keinem, und dabei ganz bei sich selber zu bleiben, bei sich und der Idee, man könnte sich seinen Wünschen anvertrauen.
Sie ist Saarländerin, vielleicht ist das eine gute Voraussetzung dafür, dass sie hören kann, wie unterschiedlich Wörter klingen, ob es Song heißt oder Chanson oder Lied. Wie verschieden die Hörwelten sind, die sich einem durch ein einzelnes Wort – und wie erst durch einen ganzen Song oder Chanson oder ein Lied – erschließen können. Nicole jedenfalls hat sich nicht einkassieren lassen von einem Business, das schrill geworden ist, „es ist laut, es ist manchmal beängstigend“, sagt sie heute.
2011 war sie erstmals bei uns in der Christuskirche zu Gast, der Tag war anders als andere: Sie völlig unprätentiös, ihr Team völlig entspannt, unseres auch, alles war so, als kennte man sich seit Jahren. Was ja ja auch stimmt, „Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund“, ihre Lieder lassen sich tatsächlich leben.
So wie sie ihre Lieder lebt, ihr „Ein leises Lied“ und „Mit dir vielleicht“ und … Aber lassen wir ihre Erfolge, sie sind immens, sie hatte ein Abo auf den ersten Platz in der ZDF-Hitparade (17 x !) und wurde erst im vergangenen Jahr für ihr soziales Engagement mit dem Hans Rosenthal Preis geehrt. Typische Nicole-Kombi: dass sie sich nicht engagiert, weil sie prominent ist, und nicht prominent ist deshalb, weil sie sich engagiert, sie macht einfach, was sie macht, sie macht es wie „Papillon“.
Und dann zeigte ihr das Leben seine eigenen Zähne. Diagnose: Krebs. „Aber ich habe zurückgebissen“, erzählte Nicole kürzlich, es war im Oktober 2024, als sie ihren 60. Geburtstag gefeiert hat – jetzt kehrt sie zurück auf die Bühne.
Ihre Botschaft: „Carpe Diem“, Genieße den Tag!
Und dazu hat sie jetzt eine Geschichte erzählt, die berührt: 1982, kurz nach ihrem Chanson-Triumph, habe sie in Tel Aviv für israelische Soldaten gesungen, ein großer Moment für sie, die 17jährige, „ein deutsches Mädchen“:
„Ich sehe mich heute noch auf meinem Hocker sitzen. Eine Sirene ertönt und die kommen alle rausgelaufen mit ihren Maschinengewehren. Mädels, Jungs in meinem Alter und setzen sich mir gegenüber auf eine Anhöhe. Ich fange an, ‚Ein bisschen Frieden‘ zu singen. Die Soldaten legen die Waffen nieder, fassen sich an den Händen und bilden aus ihren Waffen das Friedenszeichen.“
Aus ihren Waffen. Naiv ist der Chanson von Nicole nicht, Pflugscharen kann nur schmieden, wer Schwerter hat, carpe diem.
So heißt ihr neues Album, „Carpe Diem“, das sie in Bochum vorstellen wird zusammen mit ihrer Band – deren Mitglieder stammen zum Teil aus der Live Band von Helene Fischer; das die Liga, in der Nicole spielt – und natürlich wird sie die Chansons ihres Lebens hineinmischen ins Programm.
„Ein bisschen Frieden“? Als Zugabe ins Heute hinein? Dringend wäre er, ihr Chanson.