corona

Weihnachtsgefühl und Virus

Nils & Friends, Swinging Christmas, Guildo und Billy …

Christmas With My Friends 2016 in der Christuskirche by Sabine Hahnefeld

Den Advent feiern in der Gesellschaft guter Freunde mit einer Auswahl liebster Lieder und dem, was man das Weihnachtsgefühl nennen könnte – dass eine Krippe, jedes wehrlose Kind, die Wiege sei für eine Welt, wie sie sein könnte … Ob wir es erfahren können, dieses Gefühl? In diesem Jahr?

Nach Stand der Dinge: ja. Weil wir ein durchgehend geimpftes Publikum haben plus scharfe Kontrollen. Die Kombination ist entscheidend, wenn man Öffentlichkeit herstellen will unter Bedingungen, die ein Virus diktiert. Alternative: Lockdown, Twitter übernimmt.

Was sich in dieser Situation entwickelt, ist ein Bewusstsein dafür, auf was sich im Leben nicht lange verzichten lässt. Die Bücher zuhause, die Platten, der Stream verlieren ihren Sinn, wenn er nicht öffentlich erlebt werden kann, Kultur ist geteilte Erfahrung. Die Momente, in denen solche Erfahrungen entstehen, lassen sich nicht im Akkord produzieren: Das Weihnachtsgefühl gibt es nicht zu Ostern, man muss tatsächlich etwas riskieren, um es zu teilen.

Hingehen oder nicht? Erst einmal laufen eine Menge Mails bei uns ein, nur ein paar böse, sehr viele sehr schöne. Alle wägen wir ab, jede Entscheidung hat ihr Recht, am Ende sind es nicht Zahlen, die entscheiden, sondern das Gefühl im eigenen Bauch: völlig subjektiv und darum  –  mit Kant  –  eine vollkommen freie Entscheidung.

Eben deshalb, weil sie frei ist, entsteht aus ihr – mein Eindruck dieser Tage – eine andere Qualität von Öffentlichkeit, eine neue Wertschätzung. Sie erinnert einen daran, dass es Jahrhunderte hindurch nie ohne Risiko war, auf die Straße zu gehen und sich zu versammeln, sei es in Kirchen oder an anderen öffentlichen Plätzen und dann alleine nach Hause zu finden. Was einen zu dem Risiko verführt hat, war der Wunsch, eine gemeinsame Erfahrung zu machen, die niemanden zu nichts verpflichtet außer dazu, mit der Gewissheit nach Hause zu gehen, dass alle anderen dieselbe Erfahrung gemacht haben, jeder und jede aus ihrer eigenen Perspektive …

Es ist das Risiko der Öffentlichkeit, des gemeinsamen Lebens. Wir dimmen das Risiko ein, so gut es geht. Und dimmen damit zugleich das Risiko ein, das entsteht, wenn wir vergessen, worum es eigentlich geht im Leben, dem öffentlichen und seinem Sterben.