Popkultur gegen Israel?
Ben Salomo und Alex Feuerherdt über Antisemitismus in der Kulturindustrie
Christuskirche Bochum ist die Anti-BDS-Kirche. Einer der sehr wenigen Kulturveranstalter bundesweit, die sich erkennbar gegen BDS stellen. Gegen die antisemitische Kulturkampagne, die sich nach und nach in die Popkultur hineinfrisst. Anfangs war BDS tatsächlich kaum für voll zu nehmen: dass Künstler die Kunst boykottieren könnten, Popkünstler den Pop, Demokraten die Demokratie?
Es ist die BDS-Idee, inzwischen gibt sie sich selber als Kunst, als Pop, als demokratisch aus. Und hat Erfolg damit, weil es gegen jüdische Kunst geht, gegen israelische Kultur. In der Kulturszene ist Antisemitismus so alt wie die Szene selber.
Selbst nach Auschwitz, dem Verbrechen der Shoah, hat sich das Ressentiment gegen Juden in Deutschlands Alltags- und Hochkultur erhalten. Aber nicht mehr verschämt, die neue Art von Antisemitismus gibt sich kultiviert und kleidet sich als sog. Israel-Kritik ein, unverhohlen zeigt sie sich vor und in den großen Institutionen der Kultur. Aufgrund ihrer offen antisemitischen Einstellung wird die Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „extremistischer Verdachtsfall“ beobachtet. Vor allem in den angelsächsischen Ländern gilt BDS längst als Pop. Patti Smith, Laurie Anderson, Massive Attack und ihre Young Fathers, Brian Eno uvam, sie alle legen sich ins Zeug dafür, das demokratische Israel zu boykottieren.
Und anders als rassistische oder sexistische Texte und Posts werden antisemitische durchgewunken, die Kulturbranche gibt sich, was das angeht, tolerant. Künstler, die ihre israelischen Kollegen boykottieren, weil sie nicht neben ihnen auf derselben Bühne spielen wollen, werden nicht etwa geächtet, sondern geachtet. Und die Musikindustrie schweigt, sie wartet ab.
Spätestens mit den bizarren Auftritten von Roger Waters, dem Brüllwürfel des BDS, lässt sich die Frage nicht abweisen: Wo verläuft die Grenze zwischen Antisemitismus, dem Hass auf Juden, und einer noch halbwegs konstruktiven Kritik am jüdischen Staat? Gibt es einen Punkt, an dem das eine – die Kritik – überkippt ins andere, in Denunziation und Dämonisierung? Und verläuft diese Grenze just da, wo sich der Hass als Kunst ausgibt?
Ben Salomo und Alex Feuerherdt beleuchten Hintergründe und diskutieren mögliche Reaktionen. Das Gespräch wird für Fragen und Anregungen geöffnet, der Zugang in die Christuskirche ist kostenfrei. Ermöglicht wird der Abend von der Friedrich Naumann Stiftung | Stiftung für die Freiheit
BEN SALOMO ist ein Phänomen im Deutsch-Rap. Der in Israel geborene Musiker und Autor war der erste bekennende Jude in der deutschen Rap-Szene und darüber hinaus der Gründer des Erfolgsformats „Rap am Mittwoch“. Als Rapper und Songwriter verarbeitet Ben Salomo seine jüdische und israelische Identität selbstbewusst in seinen Texten – eine Ausnahme in der deutschen Hip-Hop-Szene, die immer wieder durch antisemitische, israelfeindliche, homophobe und frauenverachtende Aussagen auffällt und zuletzt bei der Verleihung des “Echo 2018” für einen handfesten Skandal sorgte.
Mit seinem klaren Bekenntnis zum Judentum tritt Ben Salomo nicht nur antisemitischen Tendenzen im Deutschrap entgegen, sondern macht auch auf den stetig wachsenden Antisemitismus in der deutschen Gesellschaft aufmerksam. Zudem hält Ben Salomo seit 2019 deutschlandweit Vorträge und gibt Workshops zum Thema „Antisemitismus in der Jungendkultur und der deutschen Rap-Szene“. Aufgrund seiner Expertise auf dem Gebiet wird er regelmäßig als Speaker und Referent zu Fachtagungen eingeladen.
ALEX FEUERHERDT, Publizist (ua Tagesspiegel, Jungle World, Jüdische Allgemeine, n-tv und bis zum Überfall auf die Ukraine auch Konkret) hat sich seit Jahren mit Antisemitismus in seinen verschiedenen Spielarten beschäftigt. Sein Buch „Die Israel-Boykottbewegung. Alter Hass in neuem Gewand“ – zusammen mit Florian Markl, das Buch ist 2020 im Hentrich-Verlag erschienen – gilt als Standardwerk. Der gelernte Buchhändler arbeitet als Lektor und ist – selber seit Jahren als Fußballschiedsrichter aktiv – Mitbetreiber des Schiedsrichter-Podcast Collinas Erben. Feuerherdt lebt in Köln.
PHILIPP JANZEN ist Dozent am Folkwang Institut für Pop-Musik in Bochum, Produzent und Mitglied der Bands Von Spar, Die Sterne und Urlaub in Polen, er veröffentlicht als Dumbo Tracks Soloalben. Seine Schlagzeugkünste hat er Bands wie The Field, Owen Pallett sowie Scout Niblett zur Verfügung gestellt und arbeitete im eigenen Dumbo Studio an Aufnahmen von Künstlern wie R. Stevie Moore, The Field, die Sterne, Andreya Casablanca, Stephen Malkmus, Luis Ake, Coma und Robocop Kraus. Er komponiert Filmmusiken (z.B. Capital B. Wem gehört Berlin ), arbeitete für das Plattenlabel Tomlab als auch das Musikfestival c/o pop. Am Folkwang Institut unterrichtet er das Produzieren von Popmusik und tut dies frei nach Bob Dylan: „It may be the level or it may be a chord, but you’re gonna have to serve somebody.“
CHRISTUSKIRCHE BOCHUM ist einer der sehr wenigen Kulturveranstalter und Spielorte bundesweit, die sich erkennbar gegen BDS stellen. Gemeinsam mit diesem Blog gingen aus ihr einige der großen Antisemitismus-Debatten der letzten Jahre hervor wie die über BDS auf der Ruhrtriennale 2018 und 2020 (Achille Mbembe) sowie Aufklärungen über BDS-affine Künstler (ua Laurie Anderson, Caryl Churchill, Charles Esche) und Kulturinitiativen (Initiative GG 5.3 Weltoffenheit).
FRIEDRICH-NAUMANN-STIFTUNG für die Freiheit bietet auf Grundlage der Idee des Liberalismus Angebote zur Politischen Bildung in Deutschland und in aller Welt. Mit ihren Veranstaltungen und Publikationen will sie dazu ermutigen, sich aktiv im politischen Geschehen einzumischen und für die Freiheit zu werben. Die Stiftung vergibt Begabten-Stipendien. Im Ausland fördert die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit den Aufbau demokratischer, marktwirtschaftlicher und rechtsstaatlicher Strukturen. Unsere Büros informieren über aktuelle Entwicklungen der Weltregionen und arbeiten vor Ort mit zahlreichen Partnern zusammen.