BDS & Kirche

Selbstbildnis mit Bonhoeffer: BDS am Rand des Kirchentags

Ulrich Duchrow predigt sich um Hirn und Kragen

Leere Bank: Kirchentag beim “Thementag” mit BDS | Foto thw

Die Stadt Dortmund hatte darum gebeten, das Land Nordrhein-Westfalen, der Bundestag: Bitte hört auf, BDS zu promoten. BDS, heißt es im Bundestagsbeschluss, ziele auf die „Brandmarkung israelischer Staatsbürgerinnen jüdischen Glaubens“, die Kampagne sei „scharf zu verurteilen“.

Der Evangelische Kirchentag, vor zwei Jahren noch indifferent gegenüber BDS, hat jetzt sehr entschieden reagiert und zwei BDS-Promoter vom Platz gestellt. Die daraufhin  –  als seien sie von Assad verfolgt  –  „Asyl“ erhalten haben in einer Dortmunder Gemeinde. Ulrich Duchrow, einer der beiden Deplatzierten:

„Meine Frau arbeitet seit Jahren in der Asylarbeit, ich war mehrfach direkt beteiligt, ich hätte nie gedacht, dass ich selber einmal ins Kirchenasyl müsste.“

Das war ernst gemeint. Ein Selbstbildnis des BDS? Hier eine Bildbeschreibung:

Etwa 120 Leute, kein Kommen kein Gehen, viel Freundlichkeit viel Einvernehmen. „Mit 62 bin ich einer der Jüngeren“, sagt einer, alle nicken. Treue Schar. Die Kirche eine Notkirche, 1948 aus Holz errichtet, heute denkmalgeschützt: Man sitzt in der eigenen Geschichte. Steht aber auf Seiten der Unterdrückten, denn dort zu stehen, das sei, ruft Chris Ferguson von der United Church of Canada, „faith imperative“. Folgt der Hinweis auf Dietrich Bonhoeffer.

Der Vorsatz ist gut, die Wirklichkeit grau. Die Seitenwahl allerdings scheint immer schon gefallen zu sein, und um das zu erklären, müsse man, so der gastgebende Ortspfarrer, „tief in die Seelenlandschaft der deutschen Mentalität einsteigen“, dort läge die Antwort, sie laute:

„Wir Deutsche bewältigen unsere Vergangenheit auf Kosten der Palästinenser.“

Beifälliges Nicken, das scheint die Denkfigur zu sein in allen Köpfen: Weil Auschwitz, darum Israel, darum Nakba (s. Anm. unten). Bei FARID ESACK, muslimischer Religionswissenschaftler aus Südafrika, klingt diese Logik so: Rassismus zeige sich in

„Slogans wie … ‘Die Iren sind dumm‘ oder ‚Die Juden sind das auserwählte Volk.‘ Die Schrecknisse des Holocaust waren, ebenso wie andere Katastrophen der Menschheit, in einmaliger Weise entsetzlich. Aber eine Form des Rassismus  –  in diesem Fall den Antisemitismus  –  zu einer eigenen Klasse zu erheben, (…) ist in Wahrheit eine weitere Manifestation der privilegierten Stellung der Weißen.“

Ein Hütchenspiel, das er da betreibt, Iren und Juden, die Weißen und die Menschheit, der Holocaust und das Privileg, am Ende ruft er „haltet den Dieb!“ und zeigt auf wen? Auf Israel: Esack ist Vorsitzender des südafrikanischen BDS und einer der beiden, die der Kirchentag ausgeladen hat.

Jetzt der andere, ULRICH DUCHROW, linkstheologischer Professor em., der sich in Dortmund im „Kirchenasyl“ wähnt: Er erklärt, der jüdisch-christliche Dialog, den er lange Jahre selber mit geprägt habe, sei

„zu einem Deal geworden: Wir Deutsche dürfen wieder teilnehmen, weil wir Buße tun, dafür müssen wir zu Israel schweigen“.

Das klingt wie Martin Walser von vor 20 Jahren mit dem Unterschied, dass sich Duchrow ausdauernd zu Israel äußert. Und an dieser Stelle kommt der Verfolgungswahn ins Spiel, es wird bizarr. Duchrow:

„Die Instrumentalisierung der Schuldgefühle der Deutschen ist das zentrale Problem. In Deutschland werden wir massiv manipuliert!“  

Wen meint er, wer manipuliert?

„Die Hasbara!“

Ist was? „Das großzügig finanzierte und finanzierende Propagandaprogramm des israelischen Außenministeriums …“

Duchrow wird konkret:

„100 Mio Dollar!“

Das sind umgerechnet 88 Mio Euro, kurzer Blick ins Wikipedia: Das Jahresbudget allein des Goethe-Instituts, Teil der auswärtigen Kulturpolitik hierzulande, belief sich 2015 auf 387 Mio €, das ist ein Vierfaches. Aber es geht nicht um Goethe, es geht darum, was Juden mit Geld in Deutschland anstellen:

„Die Antideutschen!“

Duchrow schiebt gleich nach:

„Kann ich Ihnen nicht erklären, schlagen Sie es unbedingt nach, es ist sehr wichtig. Die Antideutschen haben zwei Glaubenssätze, erstens: Israel hat immer recht, zweitens: USA hat immer recht. Sie definieren sich als Linke, nehmen aber rechtsextreme Positionen ein.“

Und dann?

„Schaffen sie eine Ebene kollektiven Drucks, bestimmte Tabus nicht zu berühren.“

Wie das?

„Hetzjagd gegen mein Buch.“

Was noch?

„Ausschluss vom Kirchentag.“

Noch mehr?

„Bundestagsbeschluss gegen BDS.“

Einen solchen Einfluss haben die, wie kann das sein?

„Feliks!“

Feliks? Duchrow meint es ernst:

„‘Feliks‘ dringt in Wikipedia-Artikel ein, um dort negative Eintragungen bei israelkritischen Personen und positive bei kritiklosen Unterstützern des Staates Israel zu lancieren.“

Das alles ist kein Witz, alle Zitate sind auf dem Podium in Dortmund gefallen oder eben nachzulesen im Vorwort zu Duchrows jüngstem Buch (hier klicken), das der Verlag rechtzeitig stoppen konnte und das jetzt in Kleinstauflage kursiert. Es hat etwas Unheimliches, wenn ein Mann, der sein Leben lang veröffentlicht hat, an eine „Hetzjagd“ glaubt, weil 1 Verriss erschienen ist in einer theologischen Fachzeitschrift, 1 Interview im DLF, 1 Kommentar in der WELT, und dann dringt 1 „Feliks“ in Wikipedia ein. Duchrow:

“Es drängt sich der Eindruck einer orchestrierten Kampagne auf. Der Kontext solcher Kampagnen ist das Propagandaprogramm des israelischen Außenministeriums“.

Und dann erklärt er auf dem Podium in Dortmund:

„Wir werden in Deutschland missbraucht von diesen Kräften.“

Ist sowas antisemitisch? Sagen wir so: Es ist BDS.

Anmerkungen

1  |  Nakba, dt. Katastrophe oder Unglück, ist der palästinensische Begriff für Flucht und Vertreibung in Folge des arabischen Angriffskrieges auf Israel 1948. In der konditionalen Reihung Auschwitz-Israel-Nakba liegt ein zweifacher Fehlschluss: Dass es Israel gibt, weil es Auschwitz gab, ist falsch, die Staatsgründung geht weit hinter Auschwitz zurück, die jüdische Präsenz im Land noch sehr viel weiter. Dass die Gründung Israels Ursache der Nakba sei, ist abermals falsch: Ursache war die Entscheidung der arabischen Staaten, keinen palästinensischen Staat zu dulden, sondern den jüdischen Staat mit Krieg zu überziehen.

2 | Der Text mit Duchrows Verschwörungstheorie: hier klicken.

Beitrag zuerst erschienen auf RUHRBARONE.de


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